Anne Erdweg at the University of Riga, Latvia

  • Anne mit Freunden
  • Anna und Freunde beim Kanufahren
  • Riga Essen und Stadt
  • Strand Riga

Anne Erdweg at the University of Riga, Latvia


Ich habe das WS 06/07 an der Latvijas Universitate in Riga studiert. Im Folgenden möchte ich meine Eindrücke, Erfahrungen, Tipps und Empfehlungen über das Studium in Riga, wie auch über das Leben und die Kultur vor Ort wiedergeben, damit Ihr Euch schnell einlebt und eine genau so tolle Zeit in Lettland haben werdet wie ich sie dort gehabt habe.

Lettland und Riga

"Riga ist nicht Lettland..." Die Unterschiede zwischen der Hauptstadt und der Provinz sind offensichtlich: Während in Riga, zumindest in der Innenstadt schon vieles an westeuropäisches Leben erinnert, findet man auf dem Land noch sehr häufig Verhältnisse vor, die man so aus Deutschland und anderen westlichen Ländern nicht mehr kennt. Beinahe ein Drittel der Gesamtbevölkerung von Lettland (2,4 Mio.) lebt in der Hauptstadt Riga (770.000). Sie ist damit gleichzeitig die mit Abstand größte Stadt des Landes und auch des gesamten Baltikums. Alle anderen nennenswerten Städte in Lettland haben lediglich zwischen 45.000 und 90.000 Einwohner.

Die Altstadt (Vecriga) ist hanseatisch geprägt, wunderschön saniert und herausgeputzt. Aus diesem Grund wird Riga oft das "baltische Paris" genannt. Das Publikum ist international, was zum einen an den vielen Touristen zum anderen an den vielen ausländischen Geschäftsleuten liegt. Neben vielen interessanten kulturellen Einrichtungen, z.B. das Okkupationsmuseum, die Nationaloper und vieles mehr - kann man sein Geld auch in zahlreichen Nobelboutiquen ausgeben. Beim Essen hat man die Wahl zwischen typisch lettischen Kafejnicas und natürlich auch McDonald´s. Das Preisniveau ist trotz des westlichen Standards und der guten Qualität immer noch um einiges niedriger, als in Deutschland, ein großes Bier kostet beispielsweise knapp 1,50€.

Die Neustadt Rigas beeindruckt vor allem mit wunderschönen Jugendstilhäusern. Die bekanntesten Straßen sind die "Alberta iela" und "Elizabetes iela". Insgesamt besteht 30 % des Stadtzentrums aus Jugendstilbauwerken. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Lettland ein relativ armes Land ist. Der Durchschnittslohn liegt bei ca. 250 Euro im Monat, auch wenn die Lebenshaltungskosten noch unter dem deutschen Niveau liegen, ein extrem niedriger Betrag. Diese Armut ist auch in Riga sichtbar: Zwar ist der Anteil der Bettler in der Altstadt nicht wesentlich höher als in westlichen Metropolen, aber 3 bis 4 Haltestellen vom renovierten Stadtkern entfernt spürt man deutlich, dass es vielen Menschen nicht sehr gut geht.

Verlässt man die Hauptstadt wird man auf der Fahrt an Kleinstbauernhöfen vorbeifahren: vor der Haustür einen Brunnen, eine Kuh, eine Ziege und ein kleines Gemüsefeld Inmitten von nirgendwo sieht man auf einmal eine Plattenbausiedlung und immer wieder Wald und viele Felder. Die Küste bietet wunderschöne Sandstrandabschnitte. Im Osten wird die Landschaft ein wenig hügeliger (die höchste Erhebung hat immerhin über 300 m ü. NN) und die östliche Provinz Latgale beeindruckt mit einer Vielzahl an Seen. Ein sehr wichtiger Bestandteil der lettischen Kultur ist der (Chor-)Gesang. Diese Tradition ist tief in der Geschichte verwurzelt und wird auch von sehr vielen jungen Leuten weitergetragen. Lettland ist auch deswegen "the singing country".

Anreise

Es gibt eine Reihe von Fluggesellschaften, die Riga anfliegen. Für Euch sind wohl vor allem die "Billigflieger" interessant. Ryanair fliegt von Frankfurt/Hahn (und ab April wohl auch ab Bremen). Sehr günstige Angebote gibt es auch von EasyJet (von Berlin) und Airbaltic (z.B. von Düsseldorf). Eine Alternative dazu bietet die Busreise mit "Ecolines" oder "Eurolines".

Unterkunft

Es gibt zwei Wohnheime für Erasmusstudenten in Riga. Beide liegen einander genau gegenüber und befinden sich in der "Moskavas Forstate" (Moskauer Vorstadt). Das Viertel ist nicht das Beste in Riga und sicher ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber das bedeutet nicht, dass man sich dort generell unsicher fühlen muss. Wenn man sich an gewisse Regeln hält, ist das Viertel genau so sicher, wie das einer anderen europäischen Großstadt auch. Zu erreichen sind beide Wohnheime von der Stadt aus am besten mit dem Trolejbus 15 (Bus mit Oberleitung). Die Fahrtzeit beträgt etwa 20 Minuten.

Im "Reznas-Wohnheim" wohnen sowohl lettische als auch ausländische Studenten, wobei die ausländischen Studenten im 1. und 2. Stock untergebracht sind. Für Erasmusstudenten werden 2er Zimmer angeboten; es besteht aber auch die Möglichkeit alleine in einem Zimmer zu wohnen, falls man bereit ist das Doppelte zu bezahlen. Die Miete beträgt dann für ein Einzelzimmer 80 Lat (ca. 120 Euro), für ein Doppelzimmer 40 Lat. Die Zimmer sind gut eingerichtet und der DSL- Anschluss ist im Preis inbegriffen. Es gibt Gemeinschaftsküchen, -toiletten und -duschen. Auch einige Computer sind im Wohnheim vorhanden für alle die keinen Laptop dabei haben.

Das "Prima-Wohnheim" gegenüber dem "Reznas-Wohnheim" ist gerade erst fertig geworden. Dort gibt es sowohl Einzel- als auch Doppelzimmer. Je zwei Zimmer teilen sich ein Bad. Pro Flur gibt es eine Gemeinschaftsküche. Die Zimmer sind teurer (momentan 90 Lat für ein Doppelzimmer und 120 Lat für ein Einzelzimmer) und die Preise sollen wohl noch angehoben werden. In den ersten Monaten gab es einige Probleme, weil das Wohnheim nicht rechtzeitig fertig geworden ist und sich einige Mängel in den Zimmern gezeigt haben. Auch gab es weder Fitnessraum, Waschmaschinen oder Sauna. Wie der derzeitige Stand ist, kann ich natürlich nicht sagen. Daneben gibt es natürlich auch die Möglichkeit, sich privat mit anderen Studenten eine Wohnung in der Stadt zu mieten.

Universität und Studium

Zunächst ist zu sagen, dass die Latvijas Universitate keine Campus-Uni ist. Die wirtschaftliche Fakultät liegt mitten im Zentrum, direkt an die Altstadt angeschlossen. Das Angebot an englischsprachigen Kursen an der wirtschaftlichen Fakultät war mit Abstand am größten im Vergleich zu anderen Fakultäten. Die Kurse werden meist nicht von Muttersprachlern gehalten, so dass man keine Angst davor haben muss, dass zu schnell gesprochen wird. Das Niveau der Kurse ist nicht so hoch wie an unserer FH und es werden auch nicht in erster Linie Klausuren geschrieben. Es gibt unterschiedliche Mäglichkeiten seine Scheine zu erlangen, durch Hausarbeiten, Präsentationen und mündliche Prüfungen.

Daneben gibt es auch die Veranstaltungen des "Baltic Study Program". Das "Baltic Study Program" ist ein für Hörer aller Fachbereiche angelegtes Programm: Es umfasst mehrere Kurse auf Englisch, zum Beispiel zur lettischen Literatur, Geschichte, Wirtschaft aber auch zu Themen wie Tourismus. Die Anforderungen in den verschiedenen Kursen sind jedoch sehr unterschiedlich.

Sprachkurse werden an der Universität von Riga während des Semesters sowohl für lettisch als auch für russisch angeboten. Für Studenten, die schon vor dem Semester Grundkenntnisse der lettischen Sprache erwerben möchten, empfehle ich, sich für den dreiwöchigen Intensivkurs im August zu bewerben (EILC - International Language Course). In dieser Zeit lernte ich nicht nur eine Menge lettisch, sondern erhält auf vielen Ausflügen und Veranstaltungen einen ersten Eindruck von der Kultur und Geschichte Lettlands. Daneben knüpfte ich erste Kontakte zu Mitstudenten und konnte mich schon an das Leben in Riga gewöhnen.

Wer sich selbst von der Universität und den angebotenen Kursen einen Einblick verschaffen will, schaut am besten im Internet unterwww.lu.lv nach.

Restaurants, Kneipe, Discos

Riga, das ist vor allem auch eine Stadt des Nachtlebens. Die lettische Hauptstadt braucht sich hierbei vor keiner westlichen Metropole zu verstecken. Restaurantbesuche sind in der Regel für westliche Studierende erschwinglich. Auch die FastFoodFreunde kommen voll auf ihre Kosten, McDonalds und Hesburger sind nicht zu übersehen. Eine kleine Auswahl:

a) Restaurants:

  • Lido: lettische Spezialitäten, Selbstbedienung, es gibt mehrere in Riga, das größte befindet sich in der Nähe der Studentenwohnheime an der Daugava 
  • Cili Pica: Pizzeria-Kette überall in der Stadt, bis 6 Uhr morgens geöffnet und große Auswahl an Pizzen und anderen Gerichten
  • Pelmeni XL: Selbstbedienung, Pelmeni sind gefüllte Teigtaschen, bis 4 Uhr geöffnet und preiswert

b) Kneipen und Cafes:

  • Bel Epoque: meist die "Erasmus-Kneipe" mit den besten Bier- und Wodkapreisen 
  • Orange Bar: Jana Seta 5, in einem kleinen Innenhof mitten in der Altstadt gelegen, alles in Orange gehalten, kleine Tanzfläche 
  • John Lemon: Peldu iela 21: ebenfalls nette Kneipe 
  • Paddy Whelan´s: Grecinieku iela 4: Irish Pub, empfehlenswert für alle Fußballfreunde, da Premiere Sportsbar 
  • Skyline Bar: im 26. Stock des 5-Sterne-Hotels "Reval Hotel Latvija" gelegene Cocktailbar, schöne Sicht auf Riga, insbesondere abends 
  • Kapucino Bars: Cafe, kleiner, unscheinbarer Laden, gegenueber Pulverturm

c) Clubs:

  • Pulk Vedis: Peldu iela, gegenüber John Lemon, Studentenclub mit zwei Tanzflächen auf zwei Etagen und Kneipenteil, Bier 1 Lat 
  • Depo: Valnu iela 32: Für alle Freunde der Underground und Alternative Rock Musik, aber auch Techno und House, alternatives Publikum
  • Cabatta: gegenüber Pulk Vedis gelegen, ebenfalls Disko, im Kellergewölbe, 3 Lat Eintritt 
  • Casablanca: Smilsu 1, Tanzfläche im Keller, unterschiedliche Musik, auch Live-Auftritte 
  • Studentu Clubs: jeden Freitag in der Nähe des Hauptgebäudes der Uni, Live-Musik, preiswerte Getränke

Ausflüge

Wer schon in Riga ist, sollte auf jeden Fall versuchen soviel wie möglich von Lettland und seinen Nachbarländern kennen zu lernen. Hauptreisemittel ist der Bus. Vom Autoosta (Busbahnhof) in der Nähe des Hauptmarktes (Tirgus) fahren in alle größeren und kleineren Orte des Landes täglich Busse, auch in die Nachbarländer. Nur eine kleine Auswahl:

a) Ziele innerhalb Lettlands

  • Jurmala: Sandstrand nur 25 km von Riga entfernt, leicht zu erreichen mit dem Zug eine halbe Stunde, Jurmala ist ein Oberbegriff für eine Reihe kleinerer Orte direkt am Meer, deshalb Ticket am besten nach Majori kaufen 
  • Gauja-Nationalpark: ca. 60 km nordöstlich von Riga in der sog. Lettischen Schweiz zwischen den Städten Sigulda, Cesis und Valmiera. Schöne Flusslandschaft mit Kanuverleih, zu erreichen entweder mit Zug oder Bus
  • Westküste mit den Städten Ventspils und Liepaja: ca. 200 km westlich von Riga: Sehr lohnenswerte Sandstrände, nettes Museum in der Burg, in Liepaja beeindruckendes ehemaliges sowjetisches Marinegefängnis (man kann für knapp 5 Lat auch einen Tag "Punishment" buchen), in der Stadt guter Rockclub 
  • Barockschloss Rundale: ca. 1h südlich von Riga an der litauischen Grenze: ca. 4 Euro Eintritt, mit Bus über Bauska zu erreichen 
  • Provinz Latgale: der Osten Lettlands ist der ärmste Landesteil, aber reich an Seen und einigen Hügeln (hier sind die höchsten Erhebungen Lettlands mit knapp 300 m NN). Größte Stadt ist Daugavpils. Dort wenig touristische Ziele, dennoch eine interessante Stadt. Hier leben nur ca. 16 Prozent Letten und über 60 Prozent Russen. 
  • Sigulda: in einer Stunde mit Bus oder Bahn von Riga aus erreichbar, viele Sportmöglichkeiten, im Winter: Bobfahren, Skifahren, im Sommer: Mountainbike, Kanutour

b) Ziele außerhalb Lettlands

  • Tallinn: Hauptstadt Estlands mit ca. 400.000 Einwohnern, ca. 300 km nördlich von Riga, bemerkenswert gut erhaltener mittelalterlicher Stadtkern mit nahezu komplett erhaltener Befestigung, die sich in eine Ober- und Unterstadt teilt, von Aussichtspunkten der Oberstadt (mit Dom und einigen Botschaften) schöne Sicht über die Unterstadt über den Hafen auf die Ostsee, alle Sehenswürdigkeiten gut zu Fuß erreichbar, allerdings sehr touristisch 
  • Vilnius: Hauptstadt Litauens (ca. 600.000 Einwohner); ca. 300 km südöstliche von Riga, ebenfalls sehenswert, an fast jeder Ecke befindet sich eine Kirche, wird deswegen auch schon mal "Jerusalem des Nordens" genannt, in der Stadt lebt noch heute eine bedeutende polnische Minderheit, am besten per Bus erreichbar. Kurische Nehrung: ca. 400 km südwestlich von Riga in Litauen: Die Kurische Nehrung ist eine Landzunge mit einer Länge von 100 km einer durchschnittlichen Breite von 2-3 km, wobei die nördliche Hälfte auf litauischem Gebiet liegt und die südliche Hälfte zur russischen Enklave Kaliningrad gehört, in Nida kurz vor der russischen Grenze befindet sich eine imposante Wanderdüne mit wunderschönem Blick von oben auf das "Kurische Haff" und die Ostsee. Von Klaipeda führt häufig eine Fähre auf die 
  • Kurische Nehrung (ca. 10 min Überfahrt), auf der an anderen Seite dann weiter mit dem Bus bis Nida. 
  • Sankt Petersburg: schon für umgerechnet 20 Euro mit Ecolines erreichbar. Fahrtdauer über Nacht ca. 14 Stunden, absolut lohnenswert, Visum nicht vergessen 
  • Moskau: ebenfalls mit Ecolines über Nacht erreichbar (25 Euro), Visum ebenfalls Pflicht 
  • Stockholm: mit der Fähre 17 Stunden entfernt. Auf Sonderangebote der Tallink-Fähren achten

Zum Abschluss

Abschließend noch eine kurze Einschätzung, was ich aus meinem Semester in Lettland mitgenommen habe. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich so nicht in Deutschland hätte machen können. Ich habe ein Land mit seinen Menschen, seiner Kultur und seinen Eigenheiten kennen gelernt. Insgesamt war das Semester für mich sehr wertvoll und ich habe mich in Riga über die gesamte Zeit sehr wohl gefühlt. Die Entscheidung nach Riga zu gehen, habe ich nicht bereut und werde in Zukunft immer wieder gerne zurückkommen.

Visu labu! (Alles Gute)
Anne Erdweg