Regina Hilberath at Siemens Medical, Shanghai
Praktikum
Am 1.3.2005 hatte ich meinen ersten Arbeitags bei der SSME Shanghai. Als „physics engineer (intern)“ bekam ich die Moeglichkeit einen tieferen Einblick in die Justage und Korrekturen an CT Geraeten, und somit die Sicherstellung der Bildqualitaet, zu gewinnen. Das Arbeitsklima ist sehr angenehm was sicher nicht zuletzt an der freundlichen und offenen Art meiner chinesischen Arbeitskollegen liegt. Und spaetestens nach dem ersten Abteilungsessen ist man voll integriert. Aufgrund der Tatsache dass meine Abteilung ausschliesslich aus Chinesen besteht habe ich nicht nur in fachlicher sondern auch in kultureller Hinsicht viel dazugelernt. Sprachlich gibt es hier auch kaum Probleme da die Firmensprache Englisch ist. Und fuer alle typisch deutschen Angelegenheiten gibt es hier auch noch andere „langnasen“ Praktikanten. Positiv ist auch, dass man hier nicht einfach nur als Praktikant angesehen wird sondern als fast Ingenieur. Das macht einen kleinen Unterschied in der Art wie man miteinander umgeht und so richtig begriffen hab ich den Unterschied mit Beantragung meiner Business Cards. Auf denen steht naemlich „physics engineer“ ohne den Zusatz „intern“. Auf meinen Einwurf hin, dass ich ja noch mehr ein Praktikant bin und ob man das denn einfach so machen kann bekam ich nur die Antwort – du bist doch ein richtiger Ingenieur.
Leben in Shanghai
Das Leben in Shanghai ist sehr schnell und hektisch. Meine Wohnung befindet sich in einem Stadtteil von Shanghai, Pudong, in dem ein Hochhaus nach dem anderen hochgezogen wird. Man kann wirklich dabei zuschauen so schnell geht das. Und wenn man sieht wie gross Pudong ist mit dem beruehmten Perl Tower und dem Jin Mao Tower, glaubt man nicht dass Pudong erst 15 Jahre alt ist. Shanghai ist auch eine Stadt der Gegensaetze. Neben den gerade hochgezogenen Hochhaeusern stehen noch die Abrissbuden in denen noch Menschen wohnen. Oder man laufe ausserdem nur mal die Nanjing Lu hinunter mit ihren Leuchtstoffreklamen und Super Mega Einkaufzentren mit (nicht immer echten) Gucci und Armani Shops mit zum Teil ueber-europaeischen Preisen. Aber nur ein paar Strassen weiter und auch sonst ueberall in der Stadt findet man diese kleinen Strassenlaeden, die Tuer an Tuer nebeneinander aufgereiht, nicht groesser als eine Autogarage sind und in denen man von Wasserrohren ueber Lebensmittel bis hin zu Handys alles kaufen kann. Hier bekommt man sein Nudelgericht auch mal fuer 3 Kuai (umgerechnet 30 Cent).
Es sei aber jedem geraten darauf zu achten dass man nicht die Katze im Sack kauft. Das gilt sowohl fuer das Einkaufen in der Mega-Mall als auch fuer Kleinlaeden. Die erste Lektion die man hier lernt ist dass man lieber davon ausgehen sollte dass die Ware nicht original sondern ein Fake ist. Und die naechste Lektion ist – alles ist Verhandlungssache. Insbesondere auf dem „Fashion and Gift market“ von uns nur kurz „Fake market“ genannt fangen die Haendler bei solch Utopischen Preisen wie 500 Kuai fuer einen gefaelschten Polo Pulli an. Es gibt ja immer noch genug Touristen die auf 200 Kuai runterhandeln und sich freuen weil sie meinen ein gutes Geschaeft gemacht zu haben. Die Wahrheit ist man bekommt einen solchen Pulli fuer 50 Kuai oder weniger wenn man lang genug handelt und sich die Laier vom „original Polo“ und „good quality“ anhoert. Mit meiner chinesischen Kollegin ueber den Fake Market zu gehen war auch so ein Erlebnis. Es wird naemlich ganz anders gehandelt wenn es sich um „local people“ handelt. Urploetzlich sinkt der Startpreis um mehr als die Haelfte.
Sehr berauschend ist auch das Shanghai night-life. Es gibt tausend Moeglichkeiten seinen Abend zu gestalten. Von gemuetlicher live Jazz Musik im Cotton Club ueber Disco mit Blick auf den Bund in der Bar Rouge gibt es in Shanghai alles. Mein persoenlicher Favorit sind die Rockkonzerte der lokalen Bands von denen ich mitlerweile welche persoehnlich kenne und mit denen wir auch schon mal Hot Pot essen waren nach einer solchen Veranstaltung.
Interkulturelle Unterschiede
Wenn ich nun im folgenden ueber „Chinesen“ rede moechte ich doch vorher darauf hinweisen, dass man nicht alle ueber einen Kamm scheren kann und hier nur ein paar persoenliche Eindruecke vermittelt werden sollen von Dingen die uns vielleicht fremd erscheinen.
Trotz so genannter „Erziehungsschilder“ gibt es immer noch viele Chinesen die frisch und frei auf die Strasse spucken mit einem Lautstaerkepegel der einem die Nackenhaare zu Berge treibt. Das ist wohl eine der Sachen die mir immer fremd bleiben werden.
Auch das Ubahn fahren wird zur Rush Hour zum Erlebnis wenn die Menschenmassen aufeinanderprallen, weil alle zur gleichen Zeit raus und reinwollen. In dieser Hinsicht muss man seine Erziehung sausen lassen und einfach mitdruecken. Mit meiner anfaenglichen Taktik alle rauszulassen und dann einzusteigen kommt man einfach nicht in die Bahn.
Wie in der Metro so auf der Strasse. So wird Taxifahren zum Erlebnis, obwohl ich auch gestehen muss, dass ich mitlerweile suechtig bin nach rasanten Taxifahrten. Das krasseste was ich bislang mitgemacht habe war, dass ein Taxifahrer mit seiner Spur unzufrieden war und doch gleich die Gegenfahrbahn als seine Spur deklariert hat. Was natuerlich in einem Hupkonzert und einer quasi dreispurigen Fahrbahn wie beim Krankenwagen geendet hat.
Wer die Chance dazu hat sollte auf jeden Fall mal kraeftig mit Chinesen feiern und essen gehen. Es wird reichlich bestellt fuer alle, was dann auf Tellern in die Mitte des Tisches auf einer Drehplatte gestellt wird und jeder nimmt sich das was er mag. Ich finde diese Art zu essen viel angenehmer als unser etwas engstirnig anmutendes Restaurantverhalten. Man gewoehnt sich auch daran dass Knochen und anderer Kram den man nicht mehr will auf dem Tisch verteilt wird. Auf diese Weise kann man naemlich einmal die Speisekarte rauf und runter essen. Aber je feierlicher der Anlass desto mehr Spezialitaeten werden aufgetischt. Ich hatte mir ja auch vorgenommen alles zu probieren und habe mich auch mutig ueber Entenzungen bis hin zu undefinierbarer klebriger Masse (nach Beschreibung meiner Kollegen „some kind of vegetable“ das auch noch schoen machen soll) vorgearbeitet aber vor Voegeln die auch noch komplett aussahen wie Voegel ohne Federn hab dann auch ich kapituliert.
Eine andere Sache die ich hier gelernt habe ist die Mannigfaltigkeit von „maybe“. Maybe in Saetzen wie „maybe later“ heisst definitiv nein. In „maybe I want to ...“ heisst es ich moechte gerne. Oder auch gerne wird maybe als Universalantwort auf alle moeglichen Fragen benutzt. Mitlerweile bekommt man ein leichtes Gespuer dafuer ob ein Chinese Ja oder Nein meint. Ich wusste zwar vorher schon dass ich nie ein klares Ja oder Nein von einem Chinesen hoeren wuerde aber das dann doch live zu erleben war schon gewoehnungsbeduerftig.
Persoenliches Fazit
Trotz aller Unterschiede kochen wir alle nur mit Wasser und ich bin hier ueberaus freundlich und offenherzig empfangen worden. Man lernt hier viel ueber sich selber und ueber unsere eigene Kultur. Da ich noch unendlich weiterberichten koennte, es aber den Rahmen sprengen wuerde koennt ihr mich auch persoehnlich kontaktieren. Bei dem Team Sprachen/Internationales könnt ihr meine Kontaktdaten erhalten.