Ann-Kathrin Bichel at Universidad de Cantabria, Spanien
„Nur keinen Stress“– so würde ich die spanische Mentalität beschreiben. Das Erste was man als pünktlicher, strukturierter, geradliniger Deutscher in Spanien lernt ist, dass viele Wege zum Ziel führen und die Uhren in Spanien etwas anders ticken.
Das liegt nicht nur daran, dass es in Spanien üblich ist, sämtliche Geschäfte und Einrichtungen zwischen ein und drei, teilweise vier Uhr aufgrund von Siesta zu schließen. Generell ist es in Spanien auch in Ordnung, dass man zu einem um zwei Uhr verabredeten Termin erst um halb drei erscheint. Meist rechnen beide Personen die spanischen 15 Minuten mit ein und treffen dann zum gleichen Zeitpunkt ein, nur eben 15 - 30 Minuten später als verabredet. Für Morgenmuffel ist Spanien daher ein wahres Traumland, denn vor 9 Uhr muss man selten in der Vorlesung sein. Abends ist die Stadt mit Menschen überströmt, in den Bars und Restaurants die man jeder Ecke findet, gibt es überall verschiedenes zu entdecken und auch unter der Woche ist bis ca. 10 Uhr überall viel los, Langeweile kommt also nicht auf und das Feiern auf keinen Fall zu kurz.
Besonders im Sommer ab Juni/Juli gibt es in Santander viele Feste, Märkte und Open Air Kinos. Santander hat dazu sechs verschieden Strände, von groß bis klein, von windig mit vielen guten Wellen zum Surfen bis zu ruhigen Stränden zum Entspannen ist für jeden etwas dabei. Ein absolutes MUSS ist zu jeder Jahreszeit auf jeden Fall ein Spaziergang zum Leuchtturm der Stadt, dabei bekommt man einen schönen Blick auf die Stadt, das Meer und die Landschaft.
Da Santander im Norden Spaniens liegt, ist sowohl die Stadt als auch das Umland sehr grün und gleicht bei einem Ausflug entlang der Küste manchmal mehr den grünen Küsten Irlands als den Stränden an die man sonst denkt, wenn man Spanien hört. Was nicht heißt, dass es nicht genügend schöne Strände gibt
Ich kann einen Trip nach San Sebastian (Stadt im Baskenland in einer Bucht) nur empfehlen. Wer gerne zu Karneval oder Fasnacht geht, sollte hier auf jeden Fall zum Karneval’s Wochenende sein. Mehrere teilweise fünf stündige Paraden ziehen durch die Stadt mit riesigen, mit Liebe zum Detail gestalteten Wägen und hunderten von Tänzern, die eine große Show bieten, die etwas an den Karneval in Rio erinnert. Die ganze Stadt ist mit Musik und Menschen gefüllt, das sollte man sich nicht entgehen lassen.
Madrid, Toledo, Porto und Lissabon in Portugal sowie Valencia standen auch noch auf meiner Reiseliste und auch alle diese Ziele kann ich nur empfehlen, jede Stadt hat ihren eigenen Charm, sowie Plätze, Sehenswürdigkeiten und kleine Geschichten die sie einzigartig machen.
Wer seine Spanisch-Kenntnisse auch neben der Uni weiter verbessern möchte sollte sich ruhig trauen eine Free-Walking-Tour auch mal in Spanisch zu buchen. Einfach dem Guide vorher Bescheid sagen, dass man Erasmus-Student ist, dann bemühen sich etwas langsamer zu sprechen und beantworten auch gerne zusätzliche Fragen in Englisch, falls einem Mal das Vokabular fehlt.
Das Bildungssystem in Spanien unterscheidet sich doch stark vom deutschen System. Das Notensystem ist anders und generell ist das System sehr viel verschulter, was viele deutschen Studenten als anstrengend empfanden. Man muss sehr häufig Hausaufgaben einreichen, die eine normale Schulhausaufgabe im Umfang überschreiten, aber auch nicht wirklich den Rahmen einer Hausarbeit haben, sodass man viel Arbeit aufwendet, aber wenig neues Wissen generiert. Man sollte sich also darauf einstellen, mehr Zeit in die Nachbereitung von Veranstaltungen zu investieren, als dass in Deutschland der Fall ist. Was die UC (Universidad de Cantabria) auszeichnet, ist ein sehr kompetentes International Office, die bei Fragen jeglicher Art gerne weiterhelfen und per E-Mail immer erreichbar sind, darüber hinaus hat die Universität ein sehr breit gefächertes Sportangebot für Uni-Mitglieder und veranstaltet regelmäßig Wanderungen in den nahegelegen Bergen oder Beachvolleyball-Turniere am Strand.
Die Wohnungssuche gestaltet sich in Santander auch recht einfach. Es gibt sowohl ein von Studenten für Studenten angelegte Plattform, bei der studentische Hilfskräfte ausländischen Studierenden Wohnungen vermitteln, als auch zahlreiche Wohnungen auf Facebook. Ich selbst habe meine Wohnung über die Facebook-Gruppe „Alquiler de Pisos/Flat Rental & Sharing - Erasmus Santander (AEGEE Oficial)“ gefunden. AEGEE ist eine der beiden Erasmus-Organisationen in Santander und organisiert mit Erasmus Santander zusammen, neben der Wohnungssuche auch Ausflüge während des Semesters. Ich hatte drei spanische Mitbewohner, was für mich super gepasst hat, da meine Mitbewohner sehr hilfsbereit, freundlich und ordentlich waren. Man sollte aber immer im Kopf behalten, vor allem wenn einem etwas komisch oder blöd vorkommt, man befindet sich nicht in Deutschland. In anderen Ländern sind andere Dinge wichtig, oder werden Dinge schlicht einfach anders gemacht. Wenn jemand für uns also unordentlich oder laut erscheint, liegt das meist daran, dass der kulturelle Hintergrund einfach ein anderer ist und durch spezielle Gegebenheiten im Herkunftsland des anderen sich einfach andere Sitten ergeben.
Man lernt auch erstaunlich viel über seine eigene Kultur, wenn man ein halbes Jahr im Ausland lebt. Spanier sagen übrigens oft, dass es sich für sie immer anhört als würden wir miteinander schimpfen, wenn wir miteinander reden, da unsere Sprache eine sehr harte Sprache ist im Vergleich zum spanischen.
Ich kann Spanien als Auslandssemester nur empfehlen, ihr werdet euch am Anfang etwas verloren vorkommen, alles ist neu und die „Nur kein Stress“ – Mentalität kann einen am Anfang in den Wahnsinn treiben. Ihre werdet sie allerdings später in Deutschland manches Mal schmerzlich vermissen. Zu sehen und zu erleben, gibt es viel, euch wird am Ende die Zeit ausgehen, um alles zu machen was ihr auf eurem Zettel hattet, aber das ist eine gute Ausrede wieder einen Flug zu buchen
Das „dolce Vita“ an Spaniens Küste erwartet euch – ich kann nur sagen bucht euer Ticket und erlebt es selbst