Isotherme Zustandsänderungen durch Flüssigkeitseinsdüsung
Einführung
Im theoretischen Modell führen isotherme Zustandsänderungen in Kompressoren und Expansionsmaschinen zu den bestmöglichen Wirkungsgraden mit Wirkungsgradsteigerungen von bis zu 20 % gegenüber dem Status Quo. Unter isothermen Zustandsänderungen versteht man dabei eine Änderung von Druck und spezifischem Volumen bei konstanter Temperatur.
In vorausgegangenen Grundlagenversuchen wurde nachgewiesen, dass durch Sprayinjektion in Gasatmosphären isotherme Zustandsänderungen möglich werden. Im Projekt wird diese Methode in einem realen Verdichter untersucht. Dazu wird ein hydraulisch betriebener Kolbenverdichter mit einem neuartigen Flüssigkeits-Einspritzsystem entwickelt. Es werden in Parameterstudien Einspritzparameter systematisch untersucht und optimiert, sodass sie in Kompressoren, Gasexpansionsmaschinen und Stirlingmotoren anwendbar werden.
Motivation
Die in Deutschland angestrebte Energiewende hat zum Ziel den Ausstoß von klimawirksamen Treibhausgasen kontinuierlich zu reduzieren und im Jahr 2045 auf null zu senken. Die Reduktion dieser Emissionen von 1990 bis 2020 betrug bereits 40 % und bis 2030 werden 65 % angestrebt.
Die Reduktion fand hauptsächlich im Bereich der Stromerzeugung und der Industrie statt. In Zukunft ist es vorgesehen auch alle weiteren Bereiche wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft zu dekarbonisieren. Es sollen nahezu alle fossilen Energieträger wie Mineralöl, Erdgas oder Kohle, die aktuell noch ca. 80 % des Primärenergieverbrauchs in Deutschland ausmachen, ersetzt werden.
Dazu sind neben dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien auch Effizienzsteigerungen bestehender Prozesse und Lebensbereiche enorm wichtig.
Kompressoren
Für die Drucklufterzeugung werden in Deutschland ca. 7 % des industriellen Stromverbrauchs benötigt. Druckluft ist in zahlreichen Branchen unverzichtbar, darunter die Automobilindustrie, die Lebensmittelproduktion, die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Metallverarbeitung. In heutigen Kompressoren verläuft die Verdichtung meist adiabat – das Gas erwärmt sich stark mit steigendem Enddruck, was zu einer ineffizienten Verdichtung führt. Mit einer verbesserten Kompression könnten Energieeinsparungen im Bereich von 10 bis 15 % erreicht werden.
Druckluftspeicherkraftwerke
Der großflächige Ausbau der wetterbedingt schwankenden Energieerzeugung muss durch den Ausbau von Energiespeichern ergänzt werden. Die Speicherkapazitäten etablierter Technologien reichen bisher bei weitem nicht aus und stoßen sowohl geografisch als auch kostentechnisch häufig an ihre Grenzen.
Eine einfache und lange bekannte Speichertechnologie sind Druckluftspeicherkraftwerke (Compressed Air Energy Storage, CAES), die während Zeiten mit Stromüberschuss Druckluft erzeugen, diese in unterirdischen Kavernen zwischenspeichern und bei Strombedarf über Gasturbinen wieder rückverstromen. Da sich bei der Expansion die Druckluft stark abkühlt, muss zum Schutz der Turbine vor Vereisen die Luft in einer Brennkammer mit Erdgas vorgewärmt werden.
Vorteil von CAES gegenüber anderen Speichertechnologien ist eine günstige und hohe verfügbare Speicherkapazität. Eine ähnlich günstige Speichertechnologie bieten lediglich Pumpspeicherkraftwerke, für die jedoch in Deutschland die Kapazitäten bereits ausgeschöpft sind.
Der größte Nachteil von CAES sind niedrige Round-trip-Wirkungsgrade (Strom à Druckluft à Strom) von lediglich 41-53 %, im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken mit etwa 70-80 % oder Batteriespeichern mit etwa 90 %. Grund dafür sind die suboptimal ablaufende Kompression und Expansion. Sollte es möglich sein, sowohl Kompression als auch Expansion annähernd isotherm ablaufen zu lassen und bei der Rückverstromung gänzlich auf Erdgas zu verzichten, könnten CAES erhebliche Wirkungsgradsteigerungen erfahren.
Stirlingmotoren
Stirlingmotoren kommen derzeit nur begrenzt zum Einsatz wie z.B. als stromerzeugende Heizung oder sie wandeln Wärmeenergie in mechanische Arbeit und können dabei zumindest theoretisch die besten thermischen Wirkungsgrade aller Wärmekraftmaschinen erreichen. Das macht sie für die Nutzung von Abwärmequellen mit niedrigen Temperaturen interessan. In der Praxis weicht der Stirlingmotor stark vom idealen Prozess ab, was ihn weit weniger effizient macht. Eine mögliche Verbesserung besteht darin, die ablaufende Kompression und Expansion näher an isotherme Verläufe heranzuführen und so die Gesamteffizienz erheblich zu steigern.
Hintergrund
Um eine isotherme Kompression zu erreichen, muss während der Kompression die zugeführte technische Arbeit gleichzeitig als Wärme aus dem Gas abgeführt werden. In der Praxis wird speziell bei Kolbenverdichtern bisher nur ein Bruchteil der Wärme über die Innenwände des Verdichters und anschließend über Kühlrippen mit Luftkühlung oder Wasserkühlung abgeführt. Je stärker sich das Gas erwärmt, desto mehr Energie wird benötigt, um das Gas weiter zu verdichten. Bei höheren Druckverhältnissen werden mehrstufige Verdichter eingesetzt, die mit Zwischenkühlungen ausgestattet sind und das zu verdichtende Gas wieder abkühlen und dadurch die Gesamteffizienz steigern.
Isotherme Zustandsänderungen sind aufgrund des Wärmeübergangswiderstands zwischen Gas, Zylinderwand und Kolben sowie der begrenzten Temperaturleitfähigkeit innerhalb des Gases mit heutigen Kolbenverdichtern nicht realisierbar.
Grundlagenversuche der Forschungsgruppe konnten zeigen, dass mit Flüssigkeitseindüsung in Gasatmosphären der Wärmeübergang von Spray auf Gas sehr gut gelingt. Dazu wurde im Wärmeübergangs-Prüfstand aus Abbildung 5 erwärmtes Wasser in eine Druckkammer eingedüst und der Temperaturanstieg ermittelt.
Es konnte gezeigt werden, dass bis zu 95 % der überhaupt möglichen Wärmeübertragung, wenn man von einer vollständigen Durchmischung der Flüssigkeit mit dem Gas ausgeht, übertragen werden können. Dieses Verhältnis ε wurde in einer Parameterstudie untersucht.
Es konnten bereits viele Einflussparameter auf die Güte der Wärmeübertragung identifiziert werden. Dazu zählen die Einspritzdauer, Einspritzdruck sowie Temperatur und Druck der Kammer.
Die bisherigen Forschungsergebnisse wurden in der internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschrift Applied Thermal Engineering veröffentlicht [4]. Der Wärmeübergang von Spray auf Gasatmosphären ist damit nachweislich ausreichend hoch, um in kurzer Zeit die benötigte Wärmemenge zu übertragen und gleichzeitig ist der energetische Aufwand für die Eindüsung so gering, dass damit die Gesamteffizienz in Arbeitsmaschinen und Motoren deutlich verbessert werden kann.
Aktuelles Forschungsprojekt
Zur Untersuchung realer Kompressions- und Expansionshübe wurde auf Basis der Ergebnisse aus den Grundlagenversuchen ein Kompressions- und Expansionsprüfstand entwickelt. Mit diesem können Versuchsreihen mit und ohne Eindüsung bis 40 bar durchgeführt werden. Der Aufbau erlaubt es Kompressions- und Expansionsvorgänge zu messen und thermodynamisch zu bewerten.
Die Abbildungen 7 und 8 zeigen den Gesamtprüfstand und eine vergrößerte Darstellung des Hauptbauteils – dem Plungerverdichter. Angetrieben wird der Verdichter mit einem Hydraulikaggregat. Aktuell sind dadurch Verdichtungsenddrücke von über 40 bar und Hubzahlen bis zu 120 U/min möglich. Mehrere Temperatur- und Drucksensoren an beiden Speichern, dem Verdichter und den Rohrstrecken ermöglichen die genaue Bewertung der einzelnen Verdichtungshübe.
Zentrale Neuentwicklung ist ein Plungerverdichter mit Ringspalt. Ähnlich einem klassischen Hubkolbenverdichter verkleinert dieser über einen beweglichen Kolben den Verdichterraum und komprimiert das darin befindliche Gas. Der Vorteil dieses Aufbaus liegt im Abfluss der eingedüsten Flüssigkeit. Der Ringspalt ermöglicht es der Flüssigkeit nach unten zu fließen und sich in einem unteren Reservoir zu sammeln und entnommen zu werden.
Erste Ergebnisse
Erste Messungen und eine Parameterstudie für Kompressionen mit und ohne Eindüsung wurden durchgeführt. Es wurden Einspritzmenge, -druck und -zeitpunkt bei verschiedenen Druckverhältnissen untersucht.
Abbildung 9 zeigt beispielhaft gemessene Druckverläufe für Flüssigkeit und Druckluft bei einem Druckverhältnis von 6. Im ersten Diagramm ohne Eindüsung verläuft der Druck nahe der Adiabaten. Im mittleren Diagramm wird nur in der zweiten Hälfte des Hubes eingedüst, im unteren Diagramm über den gesamten Verdichtungshub. Durch die Eindüsung wird der Druckverlauf flacher und nähert sich damit der Isothermen an.
Die zugehörigen Temperaturverläufe der Druckluft während der drei verschiedenen Verdichtungen sind in Abbildung 10 dargestellt. Wie zu erwarten steigt bei der Verdichtung ohne Eindüsung die Temperatur ähnlich der Adiabaten stark an (blaue Kurve). Bei der verzögerten Eindüsung, sieht man deutlich, dass die Temperatur bis zum Einspritzbeginn zunächst adiabat ansteigt und nach Einsetzen der Eindüsung bis auf etwa Umgebungstemperatur absinkt (orangene Kurve). Bei anhaltender Eindüsung über den gesamten Hub wird ein nahezu konstanter Temperaturverlauf während der Verdichtung erreicht (grüne Kurve).
Bei anhaltender Eindüsung konnte die benötigte technische Arbeit um 400 J reduziert werden. Der Aufwand der Eindüsung beträgt dabei ledigleich 40 J. Es ergibt sich ein isothermer Wirkungsgrad von 95,9 %.
Umfangreiche Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift VDI energie+umwelt [5] veröffentlicht und werden auf der Compressor Conference 2025 in London [6] vorgestellt.
Ausblick
Es wurde ein verbessertes Einspritzsystem entwickelt, welches einen Dauerbetrieb des Kompressionsprüfstandes ermöglicht. Aktuell werden umfangreiche Dauerläufe mit dem neuen System durchgeführt. Die Ergebnisse werden im Folgenden ebenfalls in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht.
Im letzten Projektjahr soll einer der beiden Plungerzylinder als Expansionsmaschine umgerüstet werden um auch die Flüssigkeitseindüsung im Expanderbetrieb zu untersuchen. Dadurch entsteht ein Gesamtsystem welches mit hohen Wirkungsgraden sowohl Druckluft erzeugen als auch expandieren kann. Dadurch können Anwendungen wie Druckluftspeicherkraftwerke oder Stirling-Motoren wirtschaftlich möglich gemacht werden.
Beteiligte Personen und Kooperationspartner
Projektmitarbeiter:
Christian Braasch, M. Eng.
Diana Nett, M. Eng.
Simon Kaiser, Dipl. Ing.
Prof. Dr. Marc. Nadler
Prof Dr. Willi Nieratschker
Kooperationspartner:
Compair Drucklufttechnik Gardner Denver Deutschland GmbH
Spilling Technologies GmbH
Laufzeit und Fördermittelgeber
Bei diesem Vorhaben fördert die Carl-Zeiss-Stiftung ab Februar 2023 bis Februar 2026 im Rahmen Ihres Programms „CZS Transfer“ aus dem Schwerpunktthema „RessourcenEffizienz“ die Forschungsgruppe Energietechnik mit bis zu € 877.000,- €.
Kontakt und weiterführende Informationen
Quellen
[1] Umweltbundesamt, Nationale Treibhausgas-Inventare 1990 bis 2021 (Stand 03/2023)
[2] AGEB, Auswertungen zu Energiebilanzen 1990 - 2022
[3] Donadei, Sabine. (2016). Storing Energy. Elsevier, S. 113-133
[4] Braasch et. al. (2022). Experimental and numerical investigation of heat transfer by water spray injection into pressurized gas atmospheres. Applied Thermal Engineering, 214
[5] Braasch, Christian. (2025). Stromspeicherung durch Druckluftspeicherkraftwerke. VDI energie+umwelt, 2(3-4), S. 48-51