Nachhaltiger und langlebiger als jede Betonbrücke: Hybride Holz-Granit-Verbund-Brücke entwickelt

05.12.2022

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Bei noch sonnigem Oktoberwetter nutzten immer wieder Studierende der Hochschule Koblenz zum Essen den über sechs Meter langen Stehtisch, der vor Kurzem dauerhaft seinen Platz im Außenbereich der Mensa gefunden hat. Das auffallende Möbelstück, das nun offiziell vorgestellt wurde, hat noch eine weitere Funktion: Es ist der bislang weltweit einzige Prototyp einer hybrid konstruierten Brücke in Holz-Granit-Verbundbauweise und wird weiterhin für das vom Bundesbildungsministeriums (BMBF) über die Dauer von vier Jahren geförderte Projekt Hybridkonstruktionen in Holz-Granit-Verbundbauweise (HGV) genutzt. Für dieses Forschungsprojekt hatte das BMFB eine Zuwendungssumme in Höhe von 416.289 Euro zur Verfügung gestellt. Diese Summe stockten die kooperierenden Unternehmen Kusser Granitwerke GmbH, Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG und Ingenieurbüro Miebach mit Geld- und Sachmitteln um insgesamt weitere 100.000 Euro auf. Die Aufstellung des Holz-Granit-Verbundträgers wurde durch Fertigbau Lindenberg OTTO QUAST GmbH & Co. KG und den Freundeskreis der Hochschule unterstützt.

  • Prof. Tim Göckel (rechts) und Prof. Dr. Karl Stoffel (2. von rechts) bei der Vorstellung des Holz-Verbund-Trägers. (Foto: Hochschule Koblenz)

  • Die beiden Projektleiter Prof. Dr. Andreas Laubach und Prof. Tim Göckel stellten die Vorzüge des Holz-Granit-Verbundträgers vor. (Foto: Hochschule Koblenz)

Ökologische Aspekte wie die nachhaltige Produktion und Langlebigkeit von Baustoffen wie auch die absehbaren Wartungskosten spielen bei der Planung von Bauwerken eine immer größere Rolle. Vor diesem Hintergrund hat die Hochschule Koblenz im Rahmen des Forschungsprojektes ein statistisch abgesichertes Bemessungskonzept für eine Verbundbauweise aus Granit und Holz entwickelt, die insbesondere für Geh- und Radwegbrücken oder stark genutzte Bereiche in Gebäuden infrage kommt. „Das von uns erforschte System ist den gängigen Verbundbauweisen Stahl und Beton beziehungsweise Holz und Beton ökologisch und ökonomisch überlegen“, erklärte Prof. Tim Göckel, der seit 2015 im Fachbereich bauen-kunst-werkstoffe der Hochschule Koblenz die Professur für Ingenieurholzbau und Konstruktive Grundlagen im Bauwesen innehat. Er leitet das Forschungsteam gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Andreas Laubach.

Ausgangspunkt der Forschungsarbeit war die Feststellung, dass Holz als nachwachsender Baustoff in den letzten Jahren immer beliebter geworden ist, jedoch vor Witterungseinflüssen geschützt werden muss. „Die industriell gefertigten Baustoffe Beton und Stahl werden bislang gerne als Verbundmaterial genutzt, haben jedoch eine wesentlich schlechtere Kohlenstoffdioxidbilanz als der Naturstoff Granit“, so Göckel. Granit an sich ist bisher als rein tragendes Baumaterial nur begrenzt einsetzbar, entfaltet jedoch neue Möglichkeit, wenn es mit Holz kombiniert wird. Durch den Einsatz des Holzes als leistungsstarkes Element im Biegezugbereich lässt sich das Eigengewicht der Gesamtkonstruktion erheblich reduzieren. Gleichzeitig übernimmt der im Biegedruckbereich materialgerecht verbaute Granit, der auch Einwirkungen wie Streusalz gegenüber unempfindlich ist, den erforderlichen Witterungsschutz für das Holz.

Ziel des Forschungsprojektes war es, ein Verbundmittel zu entwickeln, um den Granit und das Holz schubfest miteinander zu verbinden. Außerdem wurden die einzelnen Materialeigenschaften bestimmt mit dem Ziel, auf dieser Grundlage das entwickelte Verbundmittel sowie die Dimensionen der einzelnen Bauteile sicher und wirtschaftlich berechnen zu können. Zu den besonderen Erkenntnissen des Projektes gehört das Wissen, wie sich bei Werkstoffen wie Granit – die im Gegensatz zu Beton nicht fließfähig sind – mittels Klebe- oder Schraubverbindungen oder auf andere Weise eine tragfähige Verbindung mit Holz herstellen lässt. Für den Einsatz der metallischen Verbindungen konnten die Forschenden auf die Unterstützung von Prof. Dr. Robert Pandorf aus der Fachrichtung Maschinenbau zurückgreifen, dem Göckel herzlich dankte: „Eine solche Herausforderung lässt sich nur interdisziplinär lösen“.

Die von Studierenden und Mitarbeitenden als Stehtisch genutzte Holz-Granit-Verbundbrücke dient weiterhin als Forschungsobjekt, beispielsweise um das Verhalten des Materials bei Wintereinbruch zu messen. Im Verlauf des Projekts und auch darüber hinaus konnten durch Göckel und Laubach unterschiedliche studentische Forschungs- und Abschlussarbeiten betreut und in die Forschung integriert werden. Insbesondere sind dabei die beiden Promotionsvorhaben der Projektmitarbeiter Florian Walgenbach-Albat und Paul Dreifke zu nennen. Walgenbach-Albats Dissertation zum Thema „Technologie der Schubverbundfugen von Holz-Naturstein-Verbundkonstruktionen“ wird im Rahmen einer kooperativen Promotion gemeinsam mit dem Fachgebiet Verbundstrukturen der Technischen Universität Berlin unter Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Volker Schmid durchgeführt. In gleicher Konstellation befasst sich Dreifke mit dem Themenkomplex „Berechnung von Holz-Beton-Verbundträgern unter Berücksichtigung des mehrdimensionalen Tragverhaltens“ mit weiterführenden Aspekten des Verbundmittels. Beide Doktoranden werden auch vom Graduiertenzentrum der Hochschule Koblenz unterstützt, das in Rahmen der Promotionsförderung ihre Teilnahme an einer Fachkonferenz im dänischen Aalborg bezuschusst hat.

„Dieses Projekt hat den wissenschaftlichen Nachwuchs nachhaltig gefördert und auch das Forschungsprofil der Hochschule Koblenz geschärft“, betont Prof. Dr. Antje Liersch, Vizepräsidentin für Forschung der Hochschule Koblenz, „das sind die besten Voraussetzungen für die Akquise weiterer Forschungsvorhaben.“

- „Der starke Bezug zu den Unternehmen und zur Praxis, dieser gelebte Wissenstransfer, machen eine Hochschule aus“, freute sich Prof. Dr. Karl Stoffel, Präsident der Hochschule Koblenz. Bei diesem bislang einzigartigen Prototyp einer hybriden Holz-Granit-Verbundbrücke wird es nämlich nicht bleiben, wie Laubach verkündete: Eine Kommune in Bayern hat bereits zwei Fußgängerbrücken mit einer Spannweite von jeweils 25 Metern bei einem der Kooperationsunternehmen bestellt. Außerdem gilt es, „jetzt an die sehr guten Ergebnisse anzuknüpfen und weitere Forschungsanträge zu stellen“, so Laubach.