Hochschule Koblenz am Projekt zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus beteiligt - Abschlussbericht
26.09.2024
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Im Mittelpunkt des Projekts stand die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in einheimischen und migrantischen Familien in Rheinland-Pfalz. Die Universität Koblenz führte das Projekt hauptverantwortlich in Kooperation mit der Hochschule Koblenz und der Touro University Berlin durch. Für die wissenschaftliche und organisatorische Durchführung waren Dr. Inka Engel von der Universität Koblenz und Peter-Erwin Jansen M.A. von der Hochschule Koblenz als Kooperationspartner verantwortlich. Als wissenschaftliche Berater standen dem Forschungsvorhaben Professor Dr. Peter Klein und Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt von der Touro University Berlin zur Seite.
Eines der zentralen Ergebnisse war, dass in rheinland-pfälzischen Familien selten über die Zeit des Holocausts gesprochen wird. Besonders die jüngeren im Forschungsprojekt Befragten schätzen die Relevanz des Holocaust für ihre Familie oder die eigene Zukunft als eher gering ein. In den Familien, in denen doch über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg gesprochen wird, stößt oft die Generation der Enkel das Thema an. Die dritte und vierte Generation nach dem Nationalsozialismus stand dabei stark im Fokus. Das Forschungsprojekt suchte insbesondere Antworten auf Fragen nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten beim Gedenken in den verschiedenen Generationen und Familien mit und ohne Migrationshintergrund, nach dortigen Haltungen und Einstellungen sowie der Vermittlung des damals Geschehenen durch die Kriegsgeneration an ihre Nachkommen.
An der Durchführung der Studie haben sich 466 Personen aus Rheinland-Pfalz im Rahmen einer Online-Befragung beteiligt, woraus ein Stimmungsbild entstand. In einer zweiten - qualitativen - Phase wurden ausführliche Interviews mit zehn Familien geführt, die zur Hälfte einen einheimischen und zur Hälfte einen migrantischen oder jüdischen Hintergrund hatten.
Handlungsempfehlungen für lebendige Erinnerungskultur
Landtagspräsident Hendrik Hering sagte: „Die Studie liefert uns für unsere Bildungsarbeit eine ganze Fülle an wertvollen Erkenntnissen sowie konkrete Handlungsempfehlungen, um unsere Erinnerungskultur lebendig zu halten. Es ist mir ein Anliegen, dass wir uns auch innerhalb unserer Familien intensiv mit der NS-Zeit auseinandersetzen. Die Ergebnisse der Studie haben auch gezeigt, dass ein emotionaler Zugang und lokaler Bezug zu den Geschehnissen Erinnerungskultur nachhaltig erfahrbar macht.“ Es gelte dabei vor allem auch, das Vertuschen und Verschweigen in der Nachkriegsgeneration über die Geschehnisse im Dritten Reich aufzubrechen und Erzählungen zu hinterfragen, so Hendrik Hering. Die Ergebnisse werden auch Gegenstand einer Sitzung der bundesweiten Arbeitsgruppe "Zukunft der Gedenkarbeit" sein auf Ebene der Direktorinnen und Direktoren der deutschen Landesparlamente, von Bundestag und Bundesrat, die unter der Federführung des Landtags Rheinland-Pfalz im Jahr 2025 stattfinden wird. „Die Zunahme von menschenverachtenden und extremistischen Positionen in unserer Gesellschaft sollten uns alle mahnen und warnen, wie wichtig eine zeitgemäße, lebendige und emotional erfahrbare Erinnerungskultur für unsere Demokratie ist“, sagte Hendrik Hering.
Die Forschenden nennen im Abschlussbericht fünf allgemeine und sechs konkrete Handlungsempfehlungen. Allgemeine Empfehlungen sind beispielsweise, insbesondere auch in der Schule einen verstärkt empathisch-emotionalen Zugang zum Thema anzubieten, verschiedene Generationen im Bereich der Erinnerungskultur zusammen zu bringen oder auch das regionale Geschichtsbewusstsein nach dem Motto „Grabe, wo Du stehst“ zu fördern. Als konkrete Handlungsempfehlungen nennen die Forschenden die Möglichkeit für Initiativen, Vereine und Organisationen beispielsweise „Memorial Trails“ oder „Memorial Cache“ zu schaffen: Wanderrouten, auf denen historische Orte und Ereignisse während der NS-Zeit sowie migrantische Erfahrungen sichtbar gemacht werden oder auch Geocaching-Projekte, die historische Orte, Ereignisse und Geschichten der Gemeinde integriert und damit regionales Geschichtsbewusstsein fördert.
Projektleiterin Dr. Inka Engel von der Universität Koblenz sagte: „Es ist von zentraler Bedeutung, im Bildungsbereich verstärkt auf die unterschiedlichen Perspektiven von Familien mit und ohne Migrationshintergrund einzugehen. Durch eine diversere Erinnerungsarbeit lassen sich neue Zugänge schaffen, die nicht nur die Empathie fördern, sondern auch ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren des Extremismus schärfen. Dies ermöglicht es, komplexe historische Zusammenhänge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und trägt dazu bei, gesellschaftliche Brücken zu bauen, die für ein friedliches und inklusives Miteinander notwendig sind. Gerade in der aktuellen Zeit müssen wir uns entschieden gegen rechtsextreme Tendenzen stellen und rassistische Ideologien aktiv bekämpfen, um unsere demokratischen Werte zu schützen.“
Ihr Forschungskollege Peter-Erwin Jansen von der Hochschule Koblenz ergänzte: „Aus den Stellungnahmen der jüngeren Generationen in den Familieninterviews ist den Bildungsinstitutionen zu empfehlen, verschiedenen Erinnerungen von Gewalterfahrungen des 21. Jahrhunderts, von Exklusion und rassistischer Diskriminierung zugewanderter Menschen im bundesrepublikanischen Alltag, konzeptionell in ihre Lehrpläne einzubauen. Das bedeutet keine Konkurrenz zu den Opfererfahrungen des Holocaust oder Verharmlosung der Täterschaft, sondern die Förderung eines normativen, gegenseitigen Verständnisses zu schaffen für Schreckenserfahrungen und Menschenrechtsverletzungen, die Menschen erlitten haben.“
Abschlussbericht und weitere Informationen:
https://landtag-rlp.de/de/mitmachen/erinnern-und-gedenken/forschungsprojekt.htm
Quelle Pressemitteilung: Landtag Rheinland-Pfalz, Überschrift in Absprache modifiziert durch Hochschule Koblenz