Dies ist ein offener Brief an die führenden EU-Politiker der Europäischen Kommission, des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten der 34 jungen Klima-AktivistInnen inklusive Greta Thunberg. Die Europäische Kommission wird ihren Vorschlag für ein EU-Klimaschutzgesetz am 4. März veröffentlichen.
Jedes Gesetz, jedes Programm zum Klimaschutz, dem nicht die besten derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde liegen und das den globalen Aspekt der Fairness und der Klimagerechtigkeit nicht berücksichtigt - Prinzipien, die tief im Herzen des Pariser Abkommens verankert sind - wird mehr schaden als nutzen.
Ein solches Gesetz erweckt den starken Eindruck, dass tatsächlich echte, ausreichende Maßnahmen ergriffen werden, in Wahrheit ist dem jedoch nicht so.
Es erweckt auch den Eindruck, dass Sie, unsere gewählten VertreterInnen, die Situation vollständig verstehen und dass wir innerhalb des heute bestehnden Systems "die Klimakrise bewältigen können", ohne Opfer bringen zu müssen.
Die bittere Wahrheit ist aber, dass weder das Bewusstsein noch die notwendige Politik irgendwo in Sichtweite sind. Wir befinden uns in einer Krise, die nie als Krise betrachtet wurde.
Über eineinhalb Jahre haben wir unsere Unterrichtszeit und damit unsere Bildungsmöglichkeiten geopfert, um gegen Ihr Nichtstun zu protestieren. Letzten September sind weltweit über siebeneinhalb Millionen Menschen auf die Straße gegangen - mit der Forderung, dass Sie sich hinter der Wissenschaft vereinen und uns eine sichere Zukunft bieten.
Aber offensichtlich war das zuviel verlangt.
CO2 - Bugdet
Im Endeffekt drehen sich die derzeit besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel um das sich rasend schnell verringernde CO2-Budget. Auch wenn sie in Einzelheiten lückenhaft sein mögen, bilden sie die Grundlage für den verlässlichsten Plan zur Sicherstellung der zukünftigen Lebendbedingungen der Menschheit. Und dennoch werden sie von den politischen EntscheidungsträgerInnen, den Medien und den MachthaberInnen vollständig ignoriert.
Das muss sich sofort, noch in diesem Augenblick, ändern.
Kein Plan, keine Maßnahme, keine Verpflichtung wird auch nur annähernd ausreichen, wenn wir weiterhin das für heute geltende CO2-Budget ignorieren.
"Null Netto-Emissionen im Jahre 2050" für die EU bedeutet die Kapitulation. Es bedeutet, aufzugeben. Wir brauchen nicht nur Ziele für 2030 und 2050. Vor allem brauchen wir Ziele für 2020 und für jeden folgenden Monat und jedes folgende Jahr.
Ferne "Null-Emissions-Ziele" bringen überhaupt nichts, wenn wir weiterhin das CO2-Budget ignorieren - das für heute gilt, nicht für eine ferne Zukunft. Wenn die hohen Emissionen auch nur noch für einige Jahre weitergehen, wird das verbleibende Budget bald vollständig verbraucht sein.
Und bis wir über die Technologien verfügen, die unsere Emissionen im großen Stil in den negativen Bereich bringen, müssen wir "Netto-Null" oder "CO2-Neutralität" vergessen. Wir brauchen echte Null-Emissionen.
Wenn Sie die Ziele, zu denen Sie sich im Pariser Abkommen verpflichtet haben, erreichen wollen, dann muss unser CO2-Ausstoß zu einem Ende kommen. Und die Wissenschaft sagt uns, dass dieser Vorgang - drastisch gesprochen - heute beginnen muss.
Und da die Technologien, die zu einem negativen Ausstoß führen und auf die Sie ihre ganze Hoffnung setzen, heute nicht in ausreichendem Maße existieren, müssen wir schlicht und einfach aufhören, bestimmte Dinge zu tun. Auch, wenn das bedeutet, unsere Wirtschaft zu verändern.
Das ist die unangenehme Wahrheit, der Sie nicht entkommen können, egal, wie sehr Sie sich das wünschen und wie sehr Sie es versuchen. Und je länger Sie vor dieser Wahrheit davonlaufen, desto größer ist Ihr Verrat an den kommenden Generationen.
Kipppunkte
Eine sehr beliebte Vorstellung bei den EntscheidungsträgerInnen scheint die Idee zu sein, die Emissionen bis 2030 zu halbieren. Aber wir müssen nochmals daran erinnern: nach dem IPCC ergibt sich daraus nur eine 50%-ige Chance, die durchschnittliche globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten.
Und diese unzureichende Chance beinhaltet noch nicht einmal alle Rückkopplungen, Kipppunkte oder die zusätzliche Erwärmung, die sich hinter der lebensbedrohlichen Luftverschmutzung verbirgt.
Dafür enthält sie Annahmen, dass kommende Generationen irgendwie in der Lage sein werden, Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Die dafür notwendigen Technologien werden vielleicht nie im ausreichenden Maß zur Verfügung stehen, und ganz sicher nicht innerhalb des Zeitrahmens, der für das Pariser Abkommen eingehalten werden muss.
Und da dieses Budget global ist, muss auch der wesentliche Punkt der Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Das bedeutet, sollte die EU diese widrigen Chancen in Angriff nehmen, müssen wir bis 2030 eine sehr viel stärkere Reduzierung als um 50 % vornehmen, da wir auch noch für die Entwicklungsländer mitkompensieren müssen, die in der Lage bleiben müssen, den Lebensstandard für ihre Bevölkerungen zu verbessern. Das steht deutlich im Pariser Abkommen und dafür haben Sie alle unterschrieben.
Sogar ein Kind kann verstehen, dass die Risiken viel zu groß sind. Wir - die jungen Menschen, die mit den Folgen einer Krise leben müssen, die wir nicht geschaffen haben - finden sie inakzeptabel.
Wir weigern uns, diese Risiken zu akzeptieren.
Nach den Berechnungen des ICPP liegt die höchste Chance, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten, bei 67 %. Um diese Chance zu wahrzunehmen, darf nur noch ein CO2-Budget von unter 340 Gt [1 Gt = 1 Gigatonne = 1 Milliarde Tonnen, Anm. d. Übers.] weltweit emittiert werden, um innerhalb dieses Rahmens zu bleiben. Sollten wir weitermachen wie bisher, wäre dieses Budget bereits in acht Jahren ausgeschöpft.
Und bitte beachten Sie, dass hier wiederum die Risiken von Kipppunkten und Rückkopplungen hinzukommen, die - ebenso wie die Nichtbeachtung des Aspekts der Fairness - auch beim 50-Prozent-Budget zum Tragen kommen, und damit auch diese Möglichkeit sehr unsicher machen.
Klimagerechtigkeit
Diese Budgets sind in der heutigen Politik nie in die Rechnung mit einbezogen worden. Die Massenmedien haben nie darüber berichtet. Und dennoch versuchen Sie hier, Gesetze und Maßnahmen zu beschließen und ignorieren sie weiterhin vollkommen.
Sie geben vor, dass Ihr Plan oder Ihre Maßnahmen - unter Missachtung der wissenschaftlichen Gemeinde - irgendwie die größte Krise lösen wird, die je die Menschheit bedroht hat.
Sie geben vor, dass ein Gesetz, an das sich keiner halten muss, dennoch ein Gesetz ist. Sie geben vor, dass wir weiterhin neue Infrastruktur zur Gewinnung fossiler Brennstoffe ausbauen und unterhalten können, während Schlupflöcher für katastrophale "grüne" Abholzung offengelassen werden.
Sie geben vor, dass es das Pariser Abkommen nicht gefährdet, wenn die Aspekt der Fairness und der Klimagerechtigkeit einfach weggelassen werden.
Sie geben vor, dass leere Worte die Krise schon verscheuchen werden. Diese Überheblichkeit muss zu einem Ende kommen.
Wir werden uns mit nichts weniger zufrieden geben als mit einem auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Weg, der uns die beste Chance bietet, die zukünftigen Lebensbedingungen für die Menschheit und das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, sicherzustellen.
Alles andere bedeutet Kapitulation. Dieses Klimagesetz bedeutet Kapitulation - weil die Natur nicht mit sich handeln lässt und weil man keine "Deals" mit der Physik machen kann.
Und wir werden nicht zulassen, dass unsere Zukunft verspielt wird.
Bis Sie das ernstnehmen, werden wir auf der Straße bleiben. Bis Sie das ernstnehmen, werden wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse wiederholen. Bis Sie das ernstnehmen, werden wir Ihnen sagen, dass Sie nach Hause gehen, sich dort mit den Tatsachen auseinandersetzen und erst wiederkommen sollen, wenn Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Unterzeichnende
Greta Thunberg, Sweden; Luisa Neubauer, Germany; Adélaïde Charlier, Belgium; Anuna De Wever, Belgium; Saoi O’Connor, FFF Ireland; Bianca Castro, FFF Portugal; Valentīna Burdukovska, FFF Latvia; Liene Kņaze, FFF Latvia; Līva Ašmane, FFF Latvia; Dārta Anna Celma, FFF Latvia; Laura Treimane, FFF Latvia; Aleksandrs Lapinskis, FFF Latvia; David Wicker, FFF Italy; Chloe Motolese, FFF Italy; David Wicker, FFF Italy; Isabelle Axelsson, Sweden; Julie Schümmer, Belgium; Stijn Warmenhoven, The Netherlands; Robert Schüller Zakas, FFF Greece; Maria Papatheodorou, FFF Greece; Ell Jarl, FFF Sweden; Simon Lagerlöf, FFF Sweden; Rikke Damgaard Nielsen, FFF Denmark; Elijah Mckenzie-Jackson, FFF England; Dave Kock, FFF Lithuania; Saule Zokaityte, FFF Lithuania; Alvin Farrugia, FFF Malta; Venus Langely, FFF Malta; Lena Selyem, FFF Hungary; Cléophée Fusier, FFF Romania; Camille Salar, FFF Romania; Mia Luka Vincetić, FFF Croatia; Maria Serra, FFF Spain; Alby Kotěšovec, FFF Czech Republic