Motion Detection Symbolbild

Labor für KI-basierte Ganganalyse

Anmeldung, Programm und Hintergrundinfos

Die Einrichtung des neuen Labors für KI-basierte Ganganalyse (kurz: SmartGAITLab) am Campus Remagen der Hochschule Koblenz wurde durch die finanzielle Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit über das HAW-direkt Programm ermöglicht.

Das Labor wird von einem interdisziplinären Team von Forschenden betrieben. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Physik, Mathematik, Informatik, Sportwissenschaften, Medizin und Ergonomie bringen ihre langjährigen Erfahrungen aus zahlreichen Forschungsprojekten ein. Das Labor bietet Raum für innovative Zukunftsprojekte aus den Anwendungsbereichen Arbeitsschutz, Sport und Geriatrie und Klinik. Aus diesem Grund sind neben der Hochschule Koblenz (HSKO) als Betreiberin des Labors weitere Institutionen beteiligt:

  • Institut für Sportwissenschaft der Universität Koblenz (UK)
  • Institut für Arbeitsschutz (IFA) in St. Augustin
  • Institut für Medizintechnik und Informationsverarbeitung Mittelrhein (MTI)

Warum SmartGAITLab?

Eine klassische Ganganalyse beinhaltet die technische Unter­suchung von Bewegungsmustern, die während des mensch­lichen Gangs auftreten. Bei einer solchen Analyse werden üb­licher­weise biomechanische und physiologische Faktoren wie Körperhaltungen, Muskelaktivitäten, Kraft- und Druck­ver­tei­lungen aufgezeichnet und ausgewertet. Auf diese Weise können zum Beispiel krankhafte Veränderungen am Be­we­gungs­appa­rat diagnostiziert werden, die mit bloßem Auge häufig nicht zu erkennen sind. Ein solches klassisches Gang­ana­lyselabor findet man vor allem im klinischen Umfeld. 

Der Gedanke der Prävention steht bei klinischen Unter­such­ungen allerdings nicht im Vordergrund. Aus medizinischer und aus volkwirtschaftlicher Perspektive ist es aber von großer Bedeutung, dem Thema Prävention einen höheren Stellenwert beizumessen. Die Früherkennung von neurologisch bedingten und laufsportinduzierten Krank­heits­bildern oder die Ver­mei­dung von stolper-, rutsch- und sturzbedingten Unfällen sind besonders wünschenswert. In jüngster Zeit wurden be­trächt­liche Fortschritte bezüglich der viel­fältigen Einsatzgebiete von Sensoren gemacht, die physiologische und biomechanische Parameter erfassen können. Aufgrund der Verfügbarkeit von Algorithmen, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen, können nun auffällige Muster in den Sensor-Daten effizient und teil­weise in Echtzeit detektiert werden. 

Diese rasanten Fortschritte im Bereich der Hard- und Software dienen als Grundlage der Entwicklung von innovativen Werk­zeugen für eine neue Form der Ganganalyse, die den tech­nischen und personellen Aufwand im Vergleich zum klas­si­schen Labor deutlich reduzieren wird. Ein kon­ti­nu­ier­liches Monitoring des menschlichen Gangs für präventive Zwecke im alltäglichen Gebrauch erscheint in der nahen Zu­kunft möglich.

Anwendungsgebiete

Die Prävention von Verletzungen des Bewegungsapparats und die Früherkennung von neuro­de­gen­era­tiven Erkrankungen sind die vorrangigen Ziele. Mit der Einrichtung des neuen Labors können in Zusammenarbeit mit externen Partnern Forschungsgebiete weiter erschlossen und ge­mein­same Drittmittelprojekte beantragt werden. Die folgenden drei Anwendungbereiche wurden als besonders erfolgversprechend identifiziert.

Arbeitsschutz

Viele Beschäftigte sind im Be­rufsalltag einem er­höh­ten Sturz­risiko ausgesetzt. Eine Technologie, die sturz­ge­fährdete Per­sonen iden­ti­fiziert, ist daher ein hilf­reiches Werkzeug zur Sturzprävention. 

Als Indikator für die Sturz­ge­fährdung kann die An­zahl von Bei­nahe­stürzen heran­ge­zogen wer­den. Aktuell steht noch keine akzep­table Tech­no­lo­gie zur verlässlichen De­tek­tion und kontinuierlichen Auf­zeich­nung von solchen Ereignissen zur Ver­fügung. Mit einem speziell für das Labor aufgebauten Par­cours besteht jedoch die Möglichkeit, unter kon­trol­lierten Be­din­gun­gen Bei­nahe­stürze zu pro­vo­zie­ren, ohne dabei die Über­tragbarkeit auf reale Sturz­szenarien zu ver­nach­läs­sigen. 

Die hierfür not­wen­digen KI-Algorithmen sollen in besonderer Weise dazu geeignet sein, Bei­na­he­stürze vorherzusagen. In Kom­bi­nation mit ver­einfachten Sen­sor­sys­temen wäre man schließ­lich in der Lage, Beinahe­stürze im Berufsalltag auto­ma­tisiert zu erfassen.

Laufsport

Im Jahr 2022 gab es in Deutschland ungefähr 6.3 Millionen Per­so­nen, die re­gel­mäßig Lauf­sport be­trieben. Die jähr­liche In­zi­denz­rate von Ver­let­zun­gen wird auf über 40% ge­schätzt. Etwa 50 % bis 75 % aller Lauf­ver­let­zungen sind Über­las­tungs­schä­den, die auf­grund fal­scher Lauf­technik zu­stan­de kom­men. 

Im Smart­Gait­Lab kön­nen Sen­soren ent­wickelt und vali­diert wer­den, mit deren Hilfe der Zu­sam­menhang zwischen Lauf­ki­ne­ma­tik und Ver­letzung des mus­kulo­ske­lettalen Sys­tems unter­sucht wer­den kann. Eine zen­trale Frage­stel­lung ist, in­wie­weit die An­zahl der not­wen­digen Sen­soren re­du­ziert wer­den kann, so­dass eine In­te­gra­tion in Smart Clothes ("Wearables") wirt­schaft­lich wird und ob es mit Hilfe von KI-­Algo­rithmen mög­lich sein wird, ent­sprech­ende Gang­auf­fällig­keiten in Echt­zeit zu de­tekt­ieren. In Kom­bi­na­tion mit einem Feed­back-­Sys­tem würde die Prä­vention von lauf­indu­zierten Ver­letz­ungen im Breiten­sport er­mög­licht.

Klinik & Geriatrie

Die Übertragung der im Smart­GAIT­Lab ge­won­nenen Er­kennt­nis­se in den kli­nisch­en Allt­ag und in das All­tags­le­ben der Pa­tien­ten wird an­ge­strebt. Die im Labor zu ent­wick­eln­den Sen­sor­sys­teme sol­len eine Un­ter­such­ung der Be­we­gung im na­tür­lich­en Um­feld der Pa­tien­ten er­mög­lichen. Der Ver­gleich der Gang­ana­ly­sen in Be­we­gungs­la­boren von Kli­ni­ken mit den Er­geb­nis­sen, die über das neue Mess­system zu Hau­se ge­won­nen wer­den, gibt Aus­kunft über die Sen­si­tivi­tät und Spezi­fität des Sys­tems. 

Weiter­hin wird ab­schätz­bar, in­wie­weit die Gang­ver­än­der­ungen sich als zu­ver­läs­siger Mar­ker für eine kog­ni­tive Ver­schlech­ter­ung nut­zen las­sen. Dies wür­de eine tele­me­dizin­ische Be­glei­tung er­leich­tern und so­mit einen Bei­trag zur Di­gi­ta­li­sier­ung in der Me­di­zin leis­ten. 

Lang­fris­tig wür­de die Er­fassung von Gang­pro­filen und von Bei­nahe­stür­zen im häus­lichen Um­feld eine Viel­zahl von An­wen­dungen nach sich zie­hen.