Wohnen auf dem Handelshofareal, Koblenz
M-TH I Masterthesis I SoSe 22
Mehr als Wohnen
Wenn man heute über Wohnen nachdenkt sollte man bedenken, dass man sich auf eine der ältesten Konstanten in unserer Gesellschaft einlässt. Wohnen ist Spiegel und kultureller Ausdruck der Gesellschaft zugleich. Wohnen ist Kultur a priori. Sich mit Wohnen befassen impliziert ontologische Fragen, mit anderen Worten berührt es die grundsätzliche Frage nach dem Dasein oder Sein. Während im gängigen Gebrauch unter Wohnen eine faktische Tätigkeit verstanden wird, ist das existentiale, wesentlich gedachte Wohnen ein Grundzug des Mensch-Seins. „Die Art wie du bist und ich bin, die Weise, nach der wir Menschen auf der Erde sind, ist das Wohnen.“ Das Verhältnis von Mensch und Raum ist nichts anderes als das Wesen des Wohnens. Wohnen ist das in der Welt sein oder die Art wie man auf der Welt ist. In diesem Aspekt des Wohnens ist das Wie enthalten. Die Wirklichkeit ist nicht etwas das man alleine durch die Hinweise auf die biologische Konstitution des Menschen erklären kann. Existenz und Identität begreift man in der Entstehung und Erschaffung des Sozialen. Wirklichkeit ist gesellschaftlich konstruiert und ergibt sich aus dem Gebundensein des Menschen an Gruppen und Geschichte, Orte und Traditionen. Das Rationalisierungsstreben der Wohnungsindustrie existiert hingegen wie eine Parallelwelt zum Leben der Bevölkerung in dem oft rein nach ökonomischen Gesichtspunkten erstellten, sogenannten „Wohnraum“. Erstaunlich dabei ist, dass sich der Mensch stets mit der von ihm vorgeworfenen „Wohnsituation“ arrangiert hat; seien es die gründerzeitlichen Stadtstrukturen, infolge der Boomjahre der Jahrhundertwende oft überbevölkert, die Großplattensiedlung der 1970er oder die neuesten Stadterweiterungen unserer Zeit. Kann man Wohnen lernen? Die Grundlage dafür wäre, dass die eigene Wahrnehmungsfähigkeit ausgebildet werden muss.
Wer baut für wen?
Wohnen in Deutschland wird immer teurer. In Großstädten sind Neumieten schon für Menschen mit normalem Einkommen kaum noch bezahlbar. Das Bundesbauministerium macht Druck, denn der Wohnungsmangel birgt sozialen Sprengstoff. Die Innenstadt von Koblenz teilt das Schicksal zahlreicher, insbesondere westdeutscher Städte: Viel von dem, was im Zweiten Weltkrieg nicht von Bomben zerstört worden war, wurde abgerissen, die Lücken mit Bausünden gefüllt und die Stadt autogerecht umgestaltet. So wundert es einen nicht, dass das zu beplanende Grundstück, zwischen Bahngleisen, Hochleitungen und dem 8-spurigen Moselring gelegen, als reine Parkfläche degradiert sein Dasein fristet. Das so auf den ersten Blick unattraktive Gebiet birgt allerdings genau durch diesen Umstand, ungeahnte Potentiale. Eine direkte Anbindung an die Bahnhaltestelle Koblenz Mitte ist gegeben und in der Aufgabe ein weiterführendes Mobilitätskonzept zu integrieren. Überlegen Sie wie die Topografie und Niveauversprünge klug genutzt werden können. Das benachbarte Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde Koblenz Mitte kann für eine sinnvolle Nutzung mit herangezogen werden. Die Gebäude bis auf das Gemeindehaus können, falls nötig abgebrochen und überplant oder mit Nutzungen in das Gesamtkonzept integriert werden. Wer baut für wen? Entwickeln Sie ein Szenario für wen Sie an dieser Stelle bauen möchten. Überlegen Sie welche sozialen Komponenten und welche Angebote in diesem Zusammenhang in Ihr Konzept zu integrieren sind. Versetzen Sie sich in die Lage einer Kleingenossenschaft oder Baugruppe und beschreiten Sie neue Wege jenseits qualitätsloser und lediglich gewinnmaximierender Investorenarchitektur. Schaffen Sie einen Stadtbaustein mit Lebensqualität für eine heterogene Nutzergemeinschaft.