Bjarne Buhmann in Coimbra, Portugal
Study abroad at University of Coimbra
Motivation zur Auslandsphase und Entscheidung für das Zielland
Für mich war von Anfang an klar, dass ich auf jeden Fall ein Auslandssemester machen möchte. Diese Erfahrung durfte ich bereits während meines Bachelors machen und sie hatte mich komplett überzeugt.
Ehrlicherweise war Portugal nicht mein Erstwunsch. Zunächst wollte ich nach Australien. Hier hatte ich auch schon eine Zusage, aber Corona hatte andere Pläne mit mir. So kam es, dass ich in Europa bleiben musste.
Daraufhin informierte mich Frau Neukirchen, dass es noch freie Plätze in Coimbra gäbe. Ich hatte noch nie etwas von dieser Stadt gehört, schaute mir ein paar Bilder bei Google an und sagte zu. Ich dachte mir, dass es am Ende eigentlich egal ist, wo man sein Auslandssemester verbringt, da man so oder so eine unvergessliche Zeit haben wird.
Und so kam es auch…
Organisation / Finanzierung /Anreise / Unterkunft
Wenn man innerhalb der EU bleibt, muss man zum Glück nicht allzu viel organisieren. Es wird kein Visa benötigt. Eine extra Krankenversicherung habe ich nicht abgeschlossen, da innerhalb der EU das Meiste durch meine Krankenkasse abgedeckt wurde (TK).
Finanziert habe ich meinen Auslandsaufenthalt durch das Erasmus Geld, meine Ersparnisse und ein wenig Unterstützung von zu Hause. Generell muss man sagen, dass Portugal ein sehr günstiges Land ist. Vor allem Coimbra ist als Studentenstadt auch noch einmal deutlich günstiger als vergleichsweise Lissabon.
Für meine Unterkunft zahle ich beispielsweise 275€ im Monat plus Strom. Die Stromkosten liegen bei 15-20€ im Monat. Also komme ich am Ende immer noch mit unter 300€ für die Unterkunft aus. Im Vergleich zu anderen Wohnungen liegt mein Mietpreis im Mittelfeld. Wer es drauf anlegt kann sogar für rund 200€ leicht eine Wohnung finden. Die teuersten Wohnungen liegen bei knapp 400€. Das sind dann moderne Einzimmerwohnungen mit eigenem Badezimmer und eigener Küche. Ich hatte großes Glück mit meiner Wohnung. Sie war modern und ich hatte ein eigenes Badezimmer. Die Küche teilte ich mir mit 5 anderen Mitbewohnern, von denen aber 2 sehr unregelmäßig kochten. Auch sonst gab es keine Probleme oder Überschneidungen.
Grundsätzlich stellte sich die Wohnungssuche als sehr einfach heraus. Angenehmerweise ist der Wohnungsmarkt hier umgekehrt. Soll heißen, dass die Vermieter eher versuchen ihre Häuser voll zu bekommen, als dass Studenten um wenige Zimmer kämpfen müssen. So hatte ich am Ende eher die Qual der Wahl für welche Wohnung ich mich entscheide. Meine Wohnung habe ich über eine Facebook Gruppe gefunden (Erasmus Coimbra Houses, Rooms, Flats). Kurze Zeit, nachdem ich meine Anfrage in die Gruppe gepostet hatte, hatte ich schon die ersten Angebote in meinen Nachrichten.
Ich lebte nicht sonderlich sparsam in Portugal. Neben der Miete gab ich monatlich rund 600€ für Freizeit, Essen und sonstiges aus. Das geht aber auch deutlich günstiger.
Die Anreise nach Coimbra ist auf verschiedene Arten möglich. Da sich die Stadt genau in der Mitte des Landes befindet ist es egal, ob man bis Porto (1,5h entfernt) oder bis Lissabon (2h entfernt) fliegt. Ich bin nach Lissabon geflogen, weil es eine größere und günstigere Auswahl an Flügen gab. Von Porto oder Lissabon kann Coimbra dann mit dem Zug (15€) oder mit dem Bus erreicht werden (etwas günstiger).
Bei meiner Ankunft in Coimbra machte ich den Fehler und schleppte mein ganzes Gepäck durch die Stadt zu meiner Wohnung. Da die Stadt sehr hügelig ist war das unglaublich anstrengend. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es Uber und Bolt gab. Für 3-5€ kommt man damit überall in der Stadt hin. Größtenteils ist aber alles fußläufig.
Die Gasthochschule – Campusleben, Besonderheiten, Kursauswahl, Hilfestellungen
Die Universidade de Coimbra ist die zweitälteste Uni Europas (1290). In der Stadt dreht sich alles um die Uni. Gefühlt die Hälfte der Einwohner sind Studenten.
Ich habe an der Faculdade de Economia studiert. Diese Fakultät ist nicht auf dem Hauptcampus, aber wie fast alles auch nur 20 Minuten zu Fuß entfernt. Die meisten Uni Gebäude sind sehr alt und manchmal fühlt man sich wie bei Harry Potter, nicht nur weil viele Studenten in ihren traditionellen schwarzen Umhängen durch die Uni laufen.
Die Faculdade de Economia ist ein neues, modernes Gebäude. Der Charm fehlt, aber dafür ist die Ausstattung besser. Glücklicherweise hatte ich meine Sprachkurse an einer anderen Fakultät wodurch ich beide Welten kennenlernen durfte.
Um auf die Kurse zu sprechen zu kommen: Die HS Koblenz schreibt vor, dass mindestens 3 Kurse belegt und abgeschlossen werden müssen. Die Uni Coimbra schreibt mindestens 5 Kurse und 30 ECTS vor. Alle meine Kurse waren auf Englisch, weshalb es recht einfach war den Vorlesungen zu folgen. Generell ist das Anforderungsniveau nicht auf einem Level wie in Deutschland. Eine Anwesenheitspflicht besteht nicht direkt. Grundsätzlich gilt, dass man 75% der Vorlesungen besucht haben muss. Es kommt aber immer auf den Dozenten drauf an wie streng dies ausgelegt wird.
Die Kurswahl erfolgt vor dem Semester online. Hier werden viele Hilfsmaterialen von der Uni Coimbra zur Verfügung gestellt und Emails auch schnell beantwortet. In den ersten 2 Wochen der Vorlesungen ist es immer noch möglich sein Learning Agreement zu ändern, wenn man nicht mit der Kurswahl zufrieden war.
Zum Campusleben: Coimbra hat ein überragendes Erasmus Social Network (ESN). Jede Woche werden Events jeglicher Art organisiert. Von Ausflügen bis hin zu Beerpong Turnieren und sonstigen Partys. Besonders in den ersten zwei Wochen nach meiner Ankunft fanden fast täglich Events statt, die es einem ermöglichten einen Großteil aller Erasmus Studenten kennenzulernen. Am Ende muss aber ehrlicherweise gesagt werden, dass man deutlich mehr Kontakt zu internationalen Studenten hat als zu Portugiesen. Durch meine portugiesischen Mitbewohner hatte ich aber das Glück auch deren Freunde kennenzulernen.
Grundsätzlich ist es super einfach mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. In den ersten Wochen lernte man fast täglich neue Menschen kennen, ehe sich nach einem Monat festere Gruppen bildeten.
Das Leben im Gastland – Tipps, Empfehlungen, Kosten, „Dos und Don’ts“
Wie in jedem anderen Land auf der Welt, geht es natürlich auch in Portugal entspannter zu als in Deutschland. Rote Ampeln existieren nicht für Fußgänger. 20 Minuten zu spät zur Vorlesung? Egal.
Die Sonne scheint eigentlich so gut wie immer und auch im Winter sind tagsüber um die 15 Grad. Sobald die Sonne aber weg ist, wird es kalt. Daher auf jeden Fall eine dicke Jacke mitnehmen. Kalt wird es auch in den Wohnungen, da es keine richtigen Heizungen gibt und die Fenster schlecht isoliert sind. Ich hatte das Glück, dass mein Vermieter jedem einen Heizkörper gestellt hat. Ansonsten sind diese Heizkörper aber auch für rund 30€ zu kaufen. Auch im Winter schwitzt man in der Stadt tagsüber, weil sie eben so hügelig ist. Das sorgte für einige Erkältungen, da es recht kalt wird, sobald die Sonne untergegangen war.
Zum Essen: Portugal ist ein Fleisch-Land. In der Kantine gibt es aber auch immer ein vegetarisches Gericht. Alle Gerichte in der Kantine kosten 2,40 (Suppe, Hauptgang, Nachtisch). Sie ist Mittags und Abends geöffnet.
Wenn man es mal etwas schicker mag, kann man für 10-15€ pro Person schon sehr gut essen gehen. Fisch ist hier immer zu empfehlen. Vor allem in den Küstenstädten. Bier, Kaffee und Wein sind sehr günstig. Das günstigste Bier der Stadt kostet 1,70€ für 0,5l. Ein Espresso rund 70ct. Ich empfehle jedem so viel wie möglich in Portugal zu reisen. Durch die zentrale Lage Coimbras ist man schnell im Norden und im Süden. Ein Bahnticket nach Lissabon oder Porto kostet immer 15€ (solange man nicht älter als 25 ist) und ändert seinen Preis nicht, auch wenn man eine Stunde vor Abfahrt bucht. Auch Mietwagen sind relativ günstig. Beispiel: Kleinwagen für 24h ohne Versicherung und exklusive Benzin – 14€.
Die Küste ist 45 Minuten mit der Bahn entfernt. Eigentlich kann man in jedem Ort entlang der Küste Surfen gehen. Hier empfehle ich Figueira da Foz und Peniche.
Orte die man auf jeden Fall gesehen haben sollte: Lissabon, Porto, Algarve, Nazare (am besten im Winter, wenn die Wellen am höchsten sind). Auch lohnenswert für einen Tagesausflug ist Aveiro.
Wer noch mehr sehen möchte kann noch auf die Azoren fliegen. Von Lissabon aus gibt es relativ günstige Flüge, wenn man außerhalb der Saison fliegt. In meinem Leben habe ich noch nie so eine grüne Natur wie dort gesehen. Madeira ist auch nur zu empfehlen. Auch dort kann man atemberaubende Wanderungen unternehmen. Es sollte aber gesagt sein, dass sich beide Inseln nicht wirklich für den klassischen Strandurlaub eignen. Wanderungen und die Natur an sich stehen hier auf jeden Fall im Vordergrund.
Einmal im Jahr im Mai findet in Coimbra Queima das Fitas statt. Ich hatte das Glück, dass es wegen Corona auf Oktober gelegt wurde. Queima das Fitas ist ein Fest, bei dem die Absolventen der Universität verabschiedet werden. Für eine Woche finden keine Vorlesungen statt und es wird nur gefeiert. Normalerweise gibt es sogar einen Umzug durch die Stadt, bei dem jede Fakultät einen eigenen Wagen hat (vergleichbar mit Rosenmontag an Karneval). Dieser Umzug ist während meiner Zeit leider ausgefallen. Dennoch gibt es ein großes Festivalgelände direkt am Fluss, wo jeden Tag nationale und internationale Musiker auftreten. Ein Ticket für die gesamte Woche kostet 50€. Tagestickets können aber auch gekauft werden. Zu diesem Festival reisen Studenten aus ganz Portugal nach Coimbra.
Fazit
Ich bin sehr froh in Coimbra gelandet zu sein, auch wenn ich diese Stadt überhaupt nicht auf meinem Zettel hatte. Das Studentenleben ist überragend. Das Wetter ist eigentlich immer gut. Alles ist im Vergleich zu Deutschland günstig. Das Land eignet sich hervorragend zum Reisen. Coimbra unterscheidet sich deutlich von Lissabon. Lissabon ist eine richtige Großstadt, in der man sich mit der Metro fortbewegen muss. In Coimbra ist alles zu Fuß zu erreichen. In Coimbra hat man sehr viel Kontakt zu den anderen Studenten.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass Coimbra perfekt ist für Studenten, die an einer sehr traditionsreichen, alten Universität studieren wollen, die für relativ wenig Geld das Maximum herausholen möchten und die sich Abends auch mal das ein oder andere Bierchen trinken sehen.
Das Auslandssemester wirkte wie ein Leben in einer Blase ohne Verantwortungen, aber mit ganz viel Leben. Für mich war die Zeit hier der perfekte Abschluss meines Studentenlebens. Ich werde die Zeit hier auf jeden Fall vermissen, da sie fernab jeglicher Realität schien.