Josina Moll at Universidad de Murcia, Spain
1. Motivation und Entscheidung für das Zielland
Ich habe vom 29.08.2018 bis 27.01.2019 ein Auslandssemester in Murcia im Südosten Spaniens gemacht. Murcia ist die Hauptstadt der autonomen Region Murcia und zählt mit fast 500.000 Einwohnern zu den größten Städten Spaniens. Zu Beginn meines Studiums an der Hochschule Koblenz habe ich mir keine Gedanken über ein eventuelles Auslandssemester gemacht. Während meines Studiums habe ich jedoch immer wieder positive Berichte über Auslandssemester gehört, welche mein Interesse weckten. Da ich ab dem ersten Semester an der Hochschule zusätzlich Spanisch gelernt habe, war für mich schnell klar, dass, wenn ich ein Semester im Ausland studiere, ich in einem spanisch sprechenden Land leben möchte. Ich ging zu einigen Informationsveranstaltungen und die Idee, ein halbes Jahr in Spanien zu leben und zu studieren wurde immer konkreter. Auf den verschiedenen Internetseiten der Partneruniversitäten informierte ich mich über die unterschiedlichen Angebote und bewarb mich schließlich. Obwohl Murcia nicht meine erste Wahl war, bin ich sehr dankbar, dass ich das Semester an der Universidad de Murcia verbracht habe, da es mir dort sehr gut gefallen hat.
2. Organisation des Auslandaufenthaltes
Für mich war es relativ schnell klar, dass ich mir das Auslandssemester als meine zweite Praxisphase, die ich während meines Studiums absolvieren muss, anrechnen lasse. Diese Phase ist im Gegensatz zur ersten Praxisphase obligatorisch und so habe ich jetzt nach dem Auslandssemester die Wahl, ob ich Wahlveranstaltungen im Modul B 52 belege oder ein Praktikum in einem Unternehmen mache. Um diese Praxisphase angerechnet zu bekommen, musste ich in Spanien insgesamt mindestens drei Kurse und eine bestimmte Anzahl von Credits belegen. Bei all diesen Fragen und Entscheidungen wurde ich sehr gut durch unsere Koordinatorin in Deutschland unterstützt, die mir bei jedem Problem zur Seite stand. Auch meine Tutorin in Spanien war schon vor meiner Zeit dort sehr hilfsbereit.
Die Wohnung, in der ich während meines Auslandssemesters in Spanien gelebt habe, habe ich über die mir von der Universität in Murcia empfohlene Internetseite „Housing Anywhere“ gefunden. Die Plattform hat für mich den Kontakt zur Vermieterin hergestellt und ich konnte reibungslos die Wohnung für 5 Monate mieten. Ich habe mir die Wohnung mit einer deutschen Kommilitonin, einer amerikanischen Studentin und einer Spanierin aus Murcia geteilt. Für mich war es das erste Mal, dass ich in einer WG gewohnt habe, doch mir hat es sehr gut gefallen, auch wenn man immer wieder vor Herausforderungen gestellt wurde, da Sauberkeit und Ordnung nicht für jeden das gleiche bedeuten. Wir erstellten gleich in der ersten Woche gemeinsam einen Putzplan, welcher mehr oder weniger gewissenhaft eingehalten wurde. Unsere Wohnung in Murcia lag sehr zentral, sodass wir alle Einkäufe zu Fuß erledigen konnten. Außerdem hatten wir sowohl im Haus als auch nur wenige Minuten entfernt zahlreiche Tapasbars und Restaurants.
Um von Deutschland nach Spanien zu kommen, habe ich einen Flug von Düsseldorf nach Alicante gebucht und von Alicante aus bin ich mit dem Bus weiter nach Murcia gefahren. Die Anreise war sehr unkompliziert und trotz der fremden Sprache konnte ich alles gut finden. Obwohl ich es eigentlich hätte wissen können, war ich nicht dem Wetter in Spanien entsprechend angezogen. Aus diesem Grund war es sehr gut, dass die Haltestelle der Busse nah am Eingang zum Flughafen war und ich im klimatisierten Gebäude auf den Bus warten konnte. In der Wohnung wurde ich von meiner Vermieterin empfangen, was mich vor die erste Herausforderung stellte. Ich hatte zwar Spanisch bereits an der Hochschule gelernt, aber es war doch eine andere Situation, sich plötzlich nur auf Spanisch verständigen zu können. Unsere Vermieterin sprach kein Englisch, sondern Spanisch nur mit dem für die Region Murcia typischen starken Akzent. Doch zum Glück konnten wir uns einigermaßen verständigen. An diesem ersten Abend in Murcia kamen mir einige Zweifel, ob und wie ich mit meinem Spanisch zurechtkommen würde. Es beruhigte mich jedoch der Gedanke, dass in einigen Tagen mein zweiwöchiger Spanisch-Intensivkurs anfangen würde.
Für meine Zeit in Spanien hatte ich eine Kreditkarte beantragt, mit der ich kostenfrei zahlen und an bestimmten Geldautomaten Geld abheben konnte. Mit dieser Kreditkarte konnte ich außerdem sehr leicht Flüge buchen, Autos mieten und Unterkünfte für Wochenendausflüge bezahlen. Außerdem beinhaltete meine Kreditkarte eine Auslandskrankenversicherung über 6 Wochen, welche ich dank der Umstände, dass ich dreimal kurz in Deutschland war über meine gesamte Zeit in Spanien nutzen konnte. Ich bin jedoch sehr dankbar dafür, dass ich diese Versicherung nicht in Anspruch nehmen musste und ich während meiner Zeit in Spanien abgesehen von Erkältungen nicht ernsthaft krank war und zum Arzt gehen musste. Da Spanien zur EU gehört, brauchte ich mich nicht um ein Visum und auch nicht um besondere Impfungen zu kümmern.
Der Zuschuss von ERASMUS hat meine Ausgaben in Spanien zu ca. einem Drittel gedeckt. Der Rest wurde von meinen Eltern finanziert, wofür ich ihnen natürlich sehr dankbar war und bin.
3. Die Gasthochschule
Die Universidad de Murcia gehört zu einer der größten Universitäten in Spanien. An den verschiedenen Campus studieren ca. 30.000 Studenten Fächer wie Medizin, Biologie, Psychologie oder Recht. Da ich Gesundheits- und Sozialwirtschaft studiere, war ich an der Fakultät für Wirtschaft eingeschrieben. Bevor die Vorlesungen an der Uni losgingen, hatte ich bereits einen Termin mit meiner Tutorin, die mir dabei half, meinen Stundenplan zusammenzustellen. Ich hatte zwar im Voraus bereits Vorlesungen gewählt, es stellte sich jedoch heraus, dass einige dieser Vorlesungen nicht angeboten wurden bzw. sich überschnitten. Nach allen Änderungen hatte ich drei Vorlesungen, die ich besuchte und für die ich jeweils 6 ECTS-Punkte bekam. Die Vorlesungen waren alle auf Englisch, da ich mir im nicht zutraute, Vorlesungen auf Spanisch zu besuchen. Im Nachhinein betrachtet denke ich, dass ich auch einer spanischen Vorlesung hätte folgen können, und dass mich diese Herausforderung auch sprachlich weitergebracht hätte. Um meine Spanischkenntnisse zu verbessern hatte ich zu Beginn des Semesters einen Intensivkurs gewählt. In diesem Kurs haben wir neben der Sprache auch viel über die Kultur Spaniens gelernt. Wir haben zum Beispiel gelernt, dass die Spanier gerne gleichzeitig reden und sich häufig ins Wort fallen, um zu zeigen, dass sie am Gespräch interessiert sind. Etwas, das in Deutschland sehr unhöflich ist. Unser Dozent hat außerdem oft angemerkt, dass die Menschen aus Mittel- und Nordeuropa eher kurz und knapp auf Fragen antworten. Ein Spanier würde auf eine Frage wie: „Wie war dein Wochenende?“ niemals nur mir „Gut.“ antworten. Da mir dieser Sprachkurs sehr gut gefallen hat, habe ich im Anschluss daran einen weiteren Spanischkurs gewählt, der von der Universität in Murcia angeboten wurde. Der weiterführende Sprachkurs kostete 100 €, aber es war eine sehr gute Entscheidung diesen Kurs zu wählen. Für die beiden Spanischkurse habe ich insgesamt 4 ECTS-Punkte bekommen, sodass ich zusammen mit den anderen Kursen an der Uni 22 ECTS-Punkte erhalten habe.
Im weiteren Verlauf des Semesters habe ich einige Unterschiede zwischen dem spanischen und dem mir bekanntem deutschen Universitätssystem festgestellt. Ich hatte die Veranstaltungen Financial Accounting I, Business Management und Introduction to Economics I gewählt, die alle Bestandteil des ersten Semesters des Studienganges „Grado de Administración y Dirección de Empresas“ sind und zur Facultad de Economía y Empresa (Wirtschaft) gehören. Es war sehr interessant, Themen, die ich bereits in Deutschland in Vorlesungen wie beispielsweise Betriebliches Rechnungswesen oder Einführung in die Ökonomie gehört hatte, noch einmal zu hören und Unterschiede festzustellen. So habe ich z.B. in Deutschland im Themenbereich Rechnungswesen sehr viel mit T-Konten gearbeitet. In Spanien hingegen war dies eine Methode, die kaum behandelt wurde. Die Vorlesungen in Spanien erinnerten mich außerdem eher an meine Schulzeit in Deutschland. Wir mussten Namensschilder aufstellen, damit die Dozenten uns direkt ansprechen konnten, und viele Übungen wurden auch während den normalen Vorlesungen gemeinsam gelöst. Jeder wurde mit Vornamen angesprochen, auch die Dozenten.
Für mein Empfinden ist das Verhältnis der Dozenten und der Studenten in Spanien persönlicher. Ich kann jedoch nicht beurteilen, ob sich das positiv auf den Lernerfolg der Studenten auswirkt, da ich denke, dass die deutschen Dozenten sich nicht weniger um ihre Studenten kümmern.Insbesondere während der Klausurwochen fiel mir der Unterschied bezüglich der Pünktlichkeit in Spanien und in Deutschland auf. Ist eine Klausur für 9:00 Uhr angesetzt bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Klausur um 9:00 Uhr anfängt. Alle drei Klausuren, die ich in Spanien schrieb, fingen mit einer Verspätung von mindestens zehn Minuten an. Auch wenn Studenten zu spät zu einer Klausur kommen, haben sie trotzdem noch die Möglichkeit die Klausur mitzuschreiben.
Die Klausuren wurden meist von ein oder zwei Dozenten oder Aufsichtspersonen ausgeteilt, wobei es erlaubt war, sobald man die Klausur vor sich liegen hatte, anzufangen. So kann es auch vorkommen, dass fünf oder mehr Minuten vergehen, in denen die Ersten bereits die Klausur lösen und andere noch darauf warten, die Aufgaben zu bekommen. Die Aufgabenstellung der Klausur bestand bei all meinen Klausuren aus einem Multiple-Choice-Teil und einem Teil mit freien Aufgaben, die man schriftlich beantworten musste. Der Multiple-Choice-Teil musste zuerst gelöst werden und in zwei von drei Klausuren musste man zum Dozenten gehen, um sich den zweiten Teil der Klausur abzuholen. Dies sorgte dafür, dass es im Raum immer sehr unruhig war und man anstehen musste, um die Klausur weiterschreiben zu können. Auch wenn die Dozenten in Spanien sehr entspannt mit diesen Abläufen umgehen, habe ich festgestellt, dass es mir leichter fällt, mich in einer ruhigen und strukturierten Umgebung zu konzentrieren. Ein weiterer Unterschied, der mehr an das deutsche Schulsystem erinnert, ist, dass die Endnote der Fächer nicht zu 100% aus der Klausurnote besteht, sondern sich aus Hausaufgaben, Beteiligung in der Vorlesung, Zwischentests und der finalen Klausur zusammensetzt.
4. Aufenthalt im Gastland
Vor meinem Aufenthalt in Spanien habe ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde in einem fremden Land mit einer anderen Kultur zu leben. Ich habe mich im Internet über verschiedene Bräuche und Traditionen und auch Klischees informiert. In Spanien angekommen, hatte ich dann die Möglichkeit die von mir gesammelten Informationen mit der Realität zu vergleichen. Direkt in den ersten Tagen habe ich festgestellt, dass es tatsächlich stimmt, dass die Spanier gerne laut, schnell und gleichzeitig sprechen. Da ich Ende August in Murcia angekommen bin, hatte ich das Glück, das Fest der Mauren und Christen mitzuerleben (Fiesta de moros y cristianos). Zwischen dem 3. und 10. September gibt es eine Reihe Aktivitäten und Veranstaltungen, in denen man viel über die murcianische Kultur lernen und leckere, traditionelle Gerichte essen kann. Abgeschlossen wird die „Fiesta“ von einer großen Parade, in der man viel traditionelle Musik sowie Tänze und Kostüme bewundern kann.Für die Parade wird die große Hauptstraße gesperrt und es werden Stühle aufgestellt, die man sich im Vorhinein mieten kann.
Eine andere große Parade gab es am Abend des fünften Januars. In Spanien wird Weihnachten nicht im Dezember, sondern am sechsten Januar, dem Día del Reyes (Heilige Drei Könige), gefeiert. Überrascht hat mich, dass während dieser Parade nicht nur Maria und Josef und die Heiligen drei Könige liefen, sondern auch viele Figuren aus verschiedenen Märchen wie z. B. Die Bremer Stadtmusikanten. Die Parade erinnerte eher an einen Karnevalsumzug, da auch Süßigkeiten und Kuscheltiere für die Kinder von den Wägen geworfen wurden.
Eine sehr interessante und schöne Erfahrung war für mich Silvester in Spanien zu verbringen. Ich hatte bereits während des Spanischpropädeutikums in meinem ersten Semester an der Hochschule von der spanischen Tradition gehört, um Mitternacht pro Glockenschlag eine Weintraube zu essen. Dies soll Glück bringen – für den Fall, dass man schnell genug is(s)t und es schafft alle 12 Weintrauben während der Glockenschläge zu essen. Bei den Glockenschlägen richtet man sich nach der Rathausuhr in Madrid, da diese nur alle drei Sekunden schlägt. Diese Regelung wurde eingeführt, da festgestellt wurde, dass die Erstickungsgefahr sehr hoch ist, wenn man in 12 Sekunden 12 Trauben isst. Ich habe festgestellt, dass es selbst in 36 Sekunden schwer ist, die Trauben zu essen und kann jetzt auch nachvollziehen, warum viele Spanier die Weintrauben fertig portioniert und geschält kaufen. Mit vielen hunderten Menschen vor dem schön beleuchteten Rathaus zu stehen und Weintrauben zu essen, ist für mich eine besondere Erfahrung gewesen. Eine Sache, die mich jedoch sehr überrascht hat, war, dass es so gut wie kein Feuerwerk gab. Nachdem die 12 Glockenschläge vorbei waren, gab es zwar ein kleines Feuerwerk vom Dach des Rathauses, welches jedoch nicht zu vergleichen war mit dem, was man aus Deutschland an Silvester gewohnt ist. Das fehlende Feuerwerk ist möglicherweise auch einer der Gründe, warum viele Spanier um Mitternacht mit der Familie oder mit Freunden Zuhause sind. Gefeiert wird zudem auch schon ab vormittags auf den Straßen und in den Bars.
Besonders gefallen haben mir auch die Wochenendausflüge in andere Städte, die ich gemeinsam mit alten und neuen Freunden in Spanien unternehmen konnte. Zum Teil habe ich diese Ausflüge mit dem Erasmus Studierenden Netzwerk (ESN) Murcia unternommen. Diese Ausflüge waren meist etwas preiswerter, als wenn man sie privat organisiert hätte, allerdings war man zum Teil mit über 250 Personen unterwegs, was für mein Empfinden zu viel war. Mit und ohne ESN Murcia habe ich Granada, Valencia, Madrid, Sevilla, Córdoba, Málaga und andere Städte besucht. Es war faszinierend die verschiedenen Facetten der spanischen Kultur von Tapas bis Flamenco zu entdecken.
Insbesondere in Andalusien konnte man erkennen, dass Spanien zu den Ländern mit der größten Bar-Dichte gehört, da es in fast jeder Straße Tapasbars gibt. Außerdem findet man kaum eine große Stadt in Spanien, die keine Stierkampfarena hat. Meist finden hier Konzerte oder ähnliche Veranstaltungen statt, es gibt aber auch noch die traditionellen Stierkämpfe. In den Straßen der großen Städte gibt es außerdem zahlreiche Straßenkünstler, die musizieren oder tanzen. Mir persönlich haben diese Straßenshows besser gefallen, als zum Beispiel eine Flamenco-Show, die wir im Rahmen eines Ausfluges nach Granada mit ESN Murcia gesehen haben. Im Süden Spaniens kann man außerdem auch noch die großen Einflüsse der Mauren erkennen.
Die Alhambra in Granada ist ein beeindruckendes Zeichen dieser Kultur. Auch die Mezquita-Catedral (Moscheenkathedrale) in Córdoba ist bewundernswert, da in einem Gebäude zwei große Weltreligionen vermischt sind.