Lena Schaefer in Georgia, Semester Abroad at the Tbilisi State University

Motivation zur Auslandsphase und Entscheidung für das Zielland

Ich habe mich für ein Auslandssemester entschieden, allerdings ohne es als Praxisphase anrechnen zu lassen. Der Grund für diese Entscheidung ist, dass ich der Meinung bin, dass das Eine das Andere kaum ersetzen kann. Ein Praktikum ist sinnvoll, um Einblicke in den späteren Berufsalltag sammeln zu können sowie auch schon erste Berufserfahrungen zu erlangen. Ein Auslandssemester bringt einen in seiner Persönlichkeit weiter, man wird selbstständiger, lernt neue Kulturen und das Leben in einem anderen Land kennen. Ich wollte mich nicht für eins von beidem entscheiden. 
Speziell für das Auslandssemester hat mich motiviert, ein neues Land gut kennenlernen zu können, was in einem Urlaub einfach nicht möglich ist. Außerdem wollte ich meine Englischkenntnisse in der Praxis sicherer anwenden können und auch die Erfahrung machen, wie es ist in einem anderen Land zu studieren. 
Der Prozess wie ich auf das Zielland Georgien kam ist bei mir sicherlich ein längerer und holprigerer Weg gewesen als bei anderen Studierenden. Mein Traumzielland war immer eins der skandinavischen Länder. Zunächst hatte ich auch einen Erasmus-Platz in Dänemark erhalten. Leider hat die dänische Universität das Erasmussemester wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Dennoch wollte ich ein Auslandssemester machen und wand mich an Frau Neukirchen, die mir sehr geholfen hat, dies doch noch möglich zu machen. Es waren noch einige Plätze frei und dann lag es an mir, mich zu entscheiden. Warum die Entscheidung dann letztendlich auf Georgien fiel, war weil ich etwas Neues kennenlernen wollte. Ich entschied mich also gegen typische Urlaubsländer wie Spanien oder Portugal und für ein Land, von dem ich selbst noch nicht viel gehört hatte. Natürlich informierte ich mich über das Land und war von der Kultur, der Natur und den Menschen schon auf den Bildern im Internet begeistert. 

Organisation des Auslandsaufenthaltes

Mit der Organisation meines Auslandaufenthaltes in Georgien begann ich im Mai 2020. Dies ist allerdings darauf zurückzuführen, dass ich mich zuerst in Dänemark beworben hatte. Ich würde deswegen auch empfehlen früher anzufangen. Zunächst musste ich einige Unterlagen an die Partnerhochschule einreichen. Später ging es dann darum die Kurse zu wählen, die man im Gastland belegen möchte. Um ein Visum muss man sich nicht kümmern, da man bei der Einreise mit einem „Visa on Arrival“ für ein Jahr im Land bleiben darf. Ich bin mit meinem Reisepass eingereist. Besondere Impfungen sind vor der Einreise nicht notwendig. 
Außerdem sollte man sich vor der Einreise um eine Auslandskrankenversicherung kümmern. Ich hatte das Glück, das diese schon in meiner normalen Krankenversicherung inbegriffen war. Trotzdem habe ich nochmal explizit für Georgien nachgefragt, da sich das Land nicht in der EU befindet und einige Versicherungen da einen Unterschied machen. 
Während der Pandemie konnte ich aus Deutschland glücklicherweise nach Georgien einreisen, ohne in Quarantäne zu müssen. Zuvor musste man ein Einreiseformular ausfüllen, auf dem man auch angeben konnte, ob man mit einem zufälligen Corona-Test einverstanden wäre. Diesen habe ich dann auch am Flughafen nach der Passkontrolle machen müssen, allerdings kostenfrei. 
In Georgien habe ich kleine Beträge oft bar bezahlt und das Geld habe ich mit meiner VISA Kreditkarte an Bankautomaten abgehoben. Größere Beträge habe ich direkt mit der Kreditkarte bezahlt. Allerdings stellt es kein Problem dar, ausschließlich mit Karte zu zahlen. Selbst kleine Läden haben ein Kartenlesegerät und es gibt auch nicht wie in Deutschland einen Mindestbetrag, ab dem man erst mit Karte bezahlen kann. Natürlich kann es aber vorkommen, dass man an Straßenständen oder in kleinen Dörfern nicht bargeldlos bezahlen kann. Mein Tipp deshalb: immer wenigstens 100 Lari in bar haben, das sind bei aktuellem Wechselkurs circa 25 Euro. 
Von Erasmus+ erhielt ich monatlich 700 Euro sowie eine einmalige Reisepauschale von 500 Euro. Mit diesem Geld kann man in Georgien problemlos leben. Ich habe das Geld auch für Reisen im Land verwendet inklusive Transport mit dem Zug oder mit selbstgemietetem Auto. Auch häufige Restaurantbesuche oder am Ende wegen des Lockdowns Lieferservice war drin. Trotzdem muss man dazu sagen, dass ich aufgrund der Schließungen von Bars und Einkaufszentren wegen Corona in den Bereichen, zum Beispiel für Shopping, nicht viel Geld ausgegeben habe. 
Ein internationaler Führerschein ist in Georgien nicht notwendig, man kann mit einem deutschen Führerschein ein Auto mieten und dieser wird auch bei einer Straßenkontrolle in Verbindung mit einem Personalausweis oder Reisepass problemlos angenommen.

Die Gasthochschule

Die Partnerhochschule, die ich in Georgien „besuchte“ ist die Tbilisi State University, kurz TSU. „Besuchte“ in Anführungszeichen, da ich aufgrund der Corona-Pandemie keinen Vorlesungssaal von innen gesehen habe. Der Unterricht fand, genau wie in Deutschland ausschließlich online über Zoom statt. Das war natürlich sehr schade, da man nicht gut mit den einheimischen Studenten in Kontakt kam. Das lag auch an den Kursen. Die meisten Kurse, die an der TSU auf Englisch angeboten werden, werden auch hauptsächlich von internationalen Studenten belegt. Die International School of Economics at TSU, kurz ISET, ist der TSU angegliedert und bietet nur englische Kurse an. Dort hat man auch hauptsächlich georgische Kommiliton*innen. Dennoch fehlt der persönliche Kontakt, um sich kennenzulernen, da in diesen Kursen, wie auch in Deutschland frontal unterrichtet wird und alle Studierenden ihre Kamera ausgeschaltet haben. Mit den internationalen Student*innen kam ich jedoch schnell über E-Mail und dann über eine WhatsApp-Gruppe in Kontakt und es entstanden Freundschaften.
Ich belegte insgesamt vier Kurse in Georgien. Allerdings kam es nach meiner Ankunft noch einmal zu einer kompletten Veränderung der Kurse. Von Deutschland aus hatte ich bereits die Kurse gewählt, die sich für mich interessant anhörten. In Georgien fand dann eine online Einführungsveranstaltung statt, bei der etwas über die einzelnen Kurse gesagt wurde und Fragen beantwortet wurden. Dabei stellten wir Austauschstudent*innen dann auch fest, dass viele der Kurse, die wir im Vorhinein gewählt hatten, nicht stattfinden werden. Es war dennoch sehr gut die Lehrenden zu sehen und die Kursinhalte vorgestellt zu bekommen. Anschließend konnte man eine bessere Entscheidung treffen, welche Kurse einem gefallen. Aus diesem Grund ist es auch überhaupt nicht schlimm, wenn man sich in Deutschland noch nicht sicher ist, welche Kurse man belegen möchte, denn es kann problemlos umgewählt oder abgewählt werden. Auch noch zwei Wochen nach Kursstart kann man Kurse verlassen oder neu betreten, nachdem man erste Einblicke gewonnen hat. 
An dieser Stelle möchte ich kurz über meine Kurse berichten. Von der TSU selbst belegte ich drei Kurse: „Georgian Language“, „Ethnographyof Georgia“ und „Effectsof social mediause“. Den anderen Kurs belegte ich an der ISET: „Climate changeeconomics“. Insbesondere zwei Kurse kann ich wärmstens weiterempfehlen! Zuerst hatte ich von Deutschland aus als Sprachkurs Russisch gewählt, weil ich dachte, dass die Sprache mehr Leute auf der Welt sprechen und sie mir daher mehr bringen würde. Ich bin aber sehr froh, dass ich mich in Georgien dann doch für die Landessprache entschieden habe, denn man lernt die neuen Sachen viel besser, wenn man sie im täglichen Leben anwenden kann. Natürlich sprechen in Georgien auch viele Menschen russisch, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute es viel mehr wertschätzen und glücklich sind, wenn man etwas georgisch sprechen kann. Außerdem ist die Professorin eine superliebe Frau. Sie bringt einem die alltäglich brauchbaren Vokabeln bei und im Unterricht wird mit kleinen Konversationenviel praktisch geübt. Außerdem kann sie einem auch viele Tipps geben was das Leben in Georgien angeht. Sie hat uns in der letzten Stunde zwei traditionelle georgische Spezialitäten in einer online Kochstunde gelehrt, die normalerweise ohne Corona bei ihr zuhause stattfindet. Alles in allem ist es ein großartiges Gefühl immer mehr mit den Einheimischen kommunizieren zu können.
Der zweite Kurs, den ich empfehlen möchte, ist „Climate changeeconomics“. Er wird von einem deutschen Dozenten gelehrt und befasst sich mit dem Klimawandel und der Wirtschaft. Es geht um die Auswirkungen, Schäden und Lösungsansätze zu diesem Thema und ist sehr interessant. Der Kurs ist strukturiert aufgebaut und vermittelt viel Wissen. Auch der Dozent ist sehr aufgeschlossen und für alle Fragen oder Diskussionen offen. Er traf sich mit dem Kurs als Einziger an einem Abend in einer Bar um wenigstens einmal persönlichen Kontakt aufzubauen. 
Zum Campusleben kann ich leider nichts berichten, da es für mich de facto nicht stattgefunden hat. Ich denke aber, dass die georgische Mentalität, wie ich sie kennenlernte, für ein lustiges, offenes und hilfsbereites Umfeld in der Universität gesorgt hätte. 
 

Das Leben im Gastland 

Die Fortbewegungsmöglichkeiten in Georgien sind unterschiedlich in der Stadt und auf dem Land. In Tiflis gibt es eine U-Bahn und Busse,mit denen man für sehr wenig Geld in der Stadt fahren kann. Außerdem gibt es normale Taxis und Unternehmen wie „Bolt“ (gleich wie Uber), die einen von A nach B fahren. Ansonsten kann man sich über Apps an fast jeder Ecke einen E-Roller schnappen. Fährräder habe ich in der Stadt sehr selten gesehen. Auch in anderen größeren Städten im Land wie Batumi oder Kutaissi gibt es Taxis, Bolt, E-Roller oder Busse. Auf dem Land ist man auf Taxis angewiesen, die aber generell in Georgien im Vergleich zu Deutschland sehr günstig sind. Für den Fernverkehr hat man drei Möglichkeiten. Es gibt Zugverbindungen zwischen den großen Städten, die quasi einmal quer durch das Land von Tiflis bis nach Batumi ans Schwarze Meer führen. In Regionen ohne Zuganbindung kann man mit den sogenannten „Marschrutkas“ fahren. Dies sind kleine Busse in denen circa 20 Personen mitfahren können. Sie fahren von dem „Didube“ Zug-und Busbahnhof in Tiflis ab und bringen einen fast überall für wenig Geld hin. Die dritte Möglichkeit ist, sich ein eigenes Auto zu mieten. Das ist empfehlenswert, wenn man sich viel vom Land ansehen will und auch kleinere Dörfer oder abgelegene Nationalsparks auf dem Plan stehen. Dabei muss man darauf achten wie hoch das Mindestalter zum Ausleihen eines Mietwagens bei den verschiedenen Anbietern ist. Ansonsten ist es meiner Meinung nach sehr lohnenswert für Reisen außerhalb von Tiflis, da man flexibel ist und spontan sein kann.
 

Ich habe zusammen mit anderen internationalen Studierenden oft ein Auto gemietet und damit viele Ecken des Landes besucht. Hier ein paar empfehlenswerte Reiseziele innerhalb Georgiens:


Region Swanetien:

Eine Bergregion im Norden des Landes mitten im Kaukasus. Dort kann man viele kleine Dörfer entdecken, die mit ihren zahlreichen alten Wehrtürmen einen besonderen und abenteuerlichen Charme haben. Die Region lädt natürlich vor allem zum Wandern und Spazieren ein. 

 

Region Kachetien:

Die Weinebene im Osten des Landes ist besonders schön im Herbst zur Weinernte. Dort kann man viel über die traditionelle georgische Art des Weinmachens lernen und auch den ein oder anderen Abend in einer schönen Unterkunft in den Weinfeldern mit einem Weinchen ausklingen lassen. Lange Spaziergänge durch den „Lagodechi-Nationalpark“ lassen einen in der schönen Natur entspannen. 

Stepanzminda/ Kazbegi:

Nördlich von Tiflis beginnt die alte Heerstraße, die sich durch die Berge bis nach Russland schlängelt. Auf dem Weg nach Stepanzminda begegnen einem auf der Straße unzählige LKWs, die auf dem Weg zur russischen Grenze sind. Angekommen in dem Ort, ist die Wanderung zu der „Gergeti Trinity Church“ ein Muss. Die Kirche liegt an einem ganz abgelegenen Ort: mitten in den Bergen. Die Aussicht ist unglaublich schön und man wird, oben angekommen, für den Aufstieg belohnt.

Schwarzes Meer:

Die bekannteste Stadt am Schwarzen Meer ist Batumi. Sie ist neu, modern, westlich und im Wachstum. Sicherlich ist sie einen Besuch wert, allerdings würde ich für einen entspannten Strandurlaub am Schwarzen Meer ein kleines Örtchen bevorzugen. Vorteile: Weniger Leute am Strand, Ruhe und Gelassenheit. Ich selbst war sowohl für ein paar Tage als Stadturlaub in Batumi und für eine Woche als Strandurlaub im kleinen Ort Maltakva. In Maltakva kann ich das „Kolkheti Inn“ als Unterkunft wärmstens empfehlen: Gastfreundliche Besitzer, ruhige entspannte Lage, schöne Unterkunft und in 100 Metern am Strand.
Außer diesen Empfehlungen hat Georgien noch vieles mehr zu bieten, was sich lohnt zu bereisen. Reiseführer oder Reiseblogs helfen einem, alle schönen Ecken des Landes zu finden.
 

Fazit

Mein Auslandssemester in Georgien war für mich eine Erfahrung, die ich niemals missen möchte. Es ist ein abwechslungsreiches und wunderschönes Land, in dem man viel erleben kann. Die Menschen sind mir ans Herz gewachsen und die unberührte und facettenreiche Natur habe ich schnell angefangen zu vermissen. Wenn ich es nochmal machen würde, würde ich nichts anders machen und ich bin sehr froh, dass ich trotz Corona die Entscheidung getroffen habe nach Georgien zu gehen. 
Generell kann ich die Entscheidung für ein Auslandssemester voll befürworten und es jedem empfehlen. Es tut gut, neue Leute kennenzulernen, andere Kulturen und Traditionen zu erleben, aus der Komfortzone auszutreten und über den Tellerrand zu blicken. Vielleicht geht man fort mit Ungewissheit, Unsicherheit, Angst und Heimweh. Aber man kommt zurück mit einem ganzen Sack voller Erfahrungen, Einblicken, neuen Freundschaften und Fernweh. 

Sonstiges

Mehr habe ich nicht zu schreiben aber jeder der überlegt ein Auslandssemester in Georgien oder irgendwo anders zu machen, kann mich gerne kontaktieren und mir alle Fragen stellen, die ihm auf der Seele liegen. Ich werde mein Bestes geben, sie zu beantworten!