Forschungsprojekt zur Wohnungslosigkeit in Rheinland-Pfalz
Sozial- und Gesundheitsforschung
Forschungsprojekt zur Wohnungslosigkeit in Rheinland-Pfalz
Projektlaufzeit August 2013 – Juni 2014
Bundesweit leben nach aktuellen Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ca. 284.000 wohnungslose Personen. Empirische Untersuchungen belegen, dass zwischen 50% und 60% der in stationären Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe lebenden Menschen neben somatischen und psychischen Krankheitsmerkmalen vor allem auch Abhängigkeitssymptome aufweisen. In den letzten Jahren haben sich „besondere Zielgruppen“ etabliert. Drastisch reduziert hat sich das Durchschnittsalter der Wohnungslosen auf 35 Jahre. Gerade die unter 25 Jährigen sind überproportional repräsentiert. Besorgnis erregend ist auch der kontinuierlich steigende Anteil der Frauen, der mittlerweile bei 25% liegt.
Im Rahmen des vom Forschungszentrum der Hochschule Koblenz geförderten Projekts wurden durch aktuelle empirische Erhebungen (quantitativ und qualitativ) die Lebens- und Problemsituationen von Wohnungslosen in Rheinland-Pfalz eruiert. Insbesondere wurde überprüft, wie sich deren psychosoziale und gesundheitliche Situation darstellt und welche Konsequenzen sich daraus für die professionellen Hilfeangebote strukturell und methodisch ergeben.
Die Ergebnisse belegen den bundesweiten Trend. Das Durchschnittsalter der Wohnungslosen hat sich auf 35 Jahre gesenkt, der Anteil der Frauen beträgt 25%. Fast jeder vierte Wohnungslose ist jünger als 25 Jahre. Niedriger Schulabschluss, Arbeitslosigkeit, Suchtprobleme, Überschuldung, justizielle Belastungen sowie psychische Verhaltensauffälligkeiten und psychiatrische Krankheitsbilder sind weitere Merkmale, die die „Symptomatik Wohnungslosigkeit“ konstituieren, die zusammenfassend mit dem Begriff „gravierend-komplexe Problemlagen“ gekennzeichnet werden.
Sowohl die Analysen der „face-to-face Befragungen als auch die Experten-/Fachkräf-te-Interviews belegen, dass die bestehenden Hilfestrukturen u. –konzepte in der Wohnungslosenhilfe aufgrund der soziodemographischen Entwicklungen und der veränderten gravierend-komplexen Problemlagen nicht mehr ausreichen, nachhaltige professionelle Hilfen für die Betroffenen erarbeiten und umsetzen zu können.
Konsequenzen
Die nachgezeichneten Genesen der vielfältigen gravierenden Problemlagen (Suchtprobleme, psychiatrische, psychologische Störungsbilder, posttraumatische Syndrome …) erfordern gründliche Anamnesen und darauf basierend fachliche Diagnosen, um dann den Betroffenen eine professionelle Begleitung für weiterführende Hilfen und Behandlungen anbieten zu können (Fachkräfte-Assessment als Basis für die Erstellung eines fachlich abgestimmten, verbindlichen Gesamt-Hilfeplans gemäß Case Management).
Dies erfordert zum einen die Erarbeitung adäquater fachlicher Standards (diversity Management: Gender, Migration, Jugendliche…) in der Wohnungslosenhilfe und deren Umsetzung unter Anwendung der Kriterien des Case- und Qualitäts-Managements(CM/QM), um die Standards auch zeitnah weiterentwickeln zu können. Zum anderen sind vertraglich-verbindliche Kooperationsstrukturen zu etablieren, um in der Wohnungslosenhilfe ein reibungsloses Schnittstellen-Management (z.B. zwischen Jobcenter, Suchtkrankenhilfe, Psychiatrie, Schuldnerberatung, Jugendhilfe….) praktizieren zu können. Da im Rahmen dieses Schnittstellen-Managements das Leistungsrecht von zentraler Bedeutung ist, kommt sowohl dem ASD des Jugendamts (ab 17 Jahren) als auch dem Jobcenter (insbesondere für U25) bei der Umsetzung der Hilfeleistungen des Gesamt-Hilfeplans eine Schlüsselrolle zu.
Diese neue konzeptionelle Ausrichtung (nach CM/QM-Kriterien) zur nachhaltigen Bearbeitung der gravierend-komplexen Problemlagen von Wohnungslosen (speziell für die Gruppe U25 unter Gender-/Migrationsaspekten) sollte im Rahmen eines Modellprojekts z. B. in der Region Koblenz umgesetzt und evaluiert werden.