Partizipative Erinnerungspädagogik in Koblenz und Umgebung (PEPiKUm)
Das Wichtigste auf einen Blick
Kurztitel: PEPiKUm
Laufzeit: 1. Juli 2020 - 31. August 2024
Förderung: Das Projekt PEPiKUm wurde im Rahmen des Programms Forschung an Fachhochschulen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Kooperationspartner*innen: Wissenschafts-Praxis-Kooperationspartner waren die Jugendbegegnungsstätte im Haus Metternich, die Jugendpflege der Verbandsgemeindeverwaltung Rhein-Mosel (07.2020 - 06.2021), die DGB Region Koblenz – DGB Jugend, die Beigeordnete Schul- und Kulturdezernentin der Stadt Koblenz, der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (Stamm von Helfenstein), das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA) e.V. sowie die Kinder- und Jugendförderung des Jugendamts der Stadt Koblenz. Zudem waren die Bergische Universität Wuppertal und die Universität Koblenz-Landau mit jeweils einer Promotion an dem Projekt beteiligt.
Abschlusspublikation
Die Abschlusspublikation zum Projekt PEPiKUm wird vorraussichtlich im März 2025 erscheinen. Unter dem Titel: “Jugendliche Erinnerungspraktiken. Methodenplurale Forschung zur Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart” wird dieser Forschungsbericht beim Barbara Budrich Verlag veröffentlicht werden und als open access Publikation zugänglich sein.
Publikationen im Rahmen des Projekts
Bundschuh, S.; Drücker, A.; Hilgers, J.; Voßberg, T.; Yetkin, E. (Hrsg.) (2022): partizipativ.erinnern. Praktiken, Forschung, Diskurse. Düsseldorf: IDA e.V (Reader für Multiplikator:innen in der Jugend- und Bildungsarbeit).
Hilgers, J.; Vossberg, T. (2024): „Das [Jugendhaus] ist das Einzige, was hier so im Zentrum für uns Jugendliche irgendwie ist.“: geflüchtete Jugendliche als Adressat*innen der Offenen Jugendarbeit. In: Middendorf, T.; Parchow, A. (Hrsg.): Junge Menschen in prekären Lebenslagen: Theorien und Praxisfelder der Sozialen Arbeit. Weinheim: Juventa, ein Imprint der Julius Beltz GmbH & Co. KG, S. 413-423.
Yetkin, E.; Bundschuh, S. (2022): Überlegungen zur Umsetzung partizipativer Forschung in der Jugendarbeit während einer Pandemie. standpunkt: sozial 2022, 1, S. 53-60.
Yetkin, E.; Voßberg, T.; Bundschuh, S.; Wielens, A.; Hilgers, J. (2022): Erziehung nach Auschwitz: Grundzüge der Gedenkstättenpädagogik und der antisemitismuskritischen Bildung. In: Köttig, M.; Meyer, N.; Bach, J.; Castein, C.; Schäfer, M. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Rechtsextremismus. Stuttgart: utb, S. 223-240.
Hintergrund des Projekts:
Jugendliche unterschiedlicher Lebenslagen haben nur geringen Einfluss auf die gesellschaftlich dominanten Erinnerungsnarrative. Ihre Lebenswirklichkeiten und Bedürfnisse werden wenig wahrgenommen. Dies führt zu kollektiven Entfremdungs- und Ablehnungsprozessen. Um diesen konstruktiv zu begegnen, ist ein pluraler Zugang zur heterogenen Erinnerung und Gestaltung von Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Gesellschaft nötig. Die Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust führt nur dann zu einer produktiven Aufarbeitung und einem kritischen gegenwartsbezogenen Gesellschaftsverständnis, wenn Jugendliche aus ihren individuellen Perspektiven heraus selbst tätig werden und ihnen dafür Raum gegeben wird.
(Junge) Menschen werden zumeist als Objekte von Forschung angesehen, ohne dass sie selbst an der Datenerhebung, Auswertung, Interpretation und Publikation von Ergebnissen beteiligt sind. Spannend scheint die Frage zu sein, wie sie selbst zu Forschenden werden können, welche Chancen sich daraus ergeben, aber auch wie dies mit spezifischen Güterkriterien oder Standards qualitativer Sozialforschung vereinbar ist. Das Projekt hat hier einen Beitrag zur Methodendiskussion geleistet.
Ziele des Projekts:
Vor dem Hintergrund der Entwicklung zur und Anerkennung als Migrationsgesellschaft sowie aktueller geschichtsrevisionistischer Tendenzen in Teilen von Politik und Gesellschaft erhält die Frage, wie sich gesellschaftliches Erinnern verbunden mit gesellschaftlichen Veränderungen im Laufe der Zeit wandelt, in Deutschland eine besondere Aktualität. In diesem Zusammenhang verfolgte das Projekt zwei Ziele. Erstens sollte durch eine partizipativ angelegte Forschung neue Formen des Erinnerns entwickelt werden. Diese wurden als plurale Rekonstruktionen der Vergangenheit(en) verstanden, die mit dem Erlernen von Kritik an Diskriminierungsstrukturen, Gegenwartsrassismus sowie ungleichen Lebenslagen verbunden wurden. Damit wurden hegemonial-nationale Traditionen des Erinnerns irritiert und erweitert, ohne den Zielen des Erinnerns an den Holocaust zu widersprechen. Zweitens sollten junge Menschen dazu befähigt werden, sich in ihren individuellen Zugehörigkeiten zu dieser Gesellschaft natio-ethno-kulturellen Zuschreibungen im Sinne pauschalisierender Ablehnungskonstruktionen bzw. Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu entziehen.
Das Projekt radikalisierte das Vorgehen in Wissenschaft und Praxis der Jugendarbeit unter partizipativem und pluralem Aspekt. Im Kern ging es um die Frage, wie eine partizipative Rekonstruktion der Vergangenheit mit dem Erlernen von Kritik an aktuellen Diskriminierungsstrukturen, rassistischen Ausgrenzungen sowie ungleichen Lebenslagen so verbunden werden kann, dass es Jugendlichen gelingt, unter Wahrung ihrer Pluralität und Diversität ein gemeinsames, in sich differenziertes Erinnern kreativ zu erzeugen und eine gemeinsame gleichberechtigte Zukunft anzuvisieren. Die Forschung im Projekt hat Fragen der Jugendbildung mit Fragen einer pluralen Migrationsgesellschaft und -pädagogik und ihrer gemeinsamen Narrative hinsichtlich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbunden. Um diese Pluralität der Erinnerung im Projekt selbst erzeugen und abbilden zu können, wurde im Forschungsprozess die Partizipation der Zielgruppen gewährleistet. Dies impliziert, dass seitens der Zielgruppen neue Themen eingespeist und neue methodische Zugänge erörtert wurden. Insofern war das Projekt bei konsequenter Umsetzung der partizipativen Forschungsmethode notwendig erkenntnis- und ergebnisoffen.
Methodisches Vorgehen:
Die pädagogische Praxisarbeit im Handlungsfeld Erinnerungsarbeit wurde mit bewährten und neuen Methoden der Jugendarbeit umgesetzt: Soziale Gruppenarbeit, Sozialraumarbeit, Medienpädagogik, Biografiearbeit, erinnerungspädagogische Methoden, Gedenkstättenbesuche, Präventionsansätze, vorurteilsbewusste und rassismuskritische Methoden.
Der partizipative Ansatz umfasst alle Forschungs- und Praxisphasen. Sowohl bei der Datenerhebung als auch der Auswertung wurden die jugendlichen Akteur*innen und Praxispartner aktiv einbezogen. Sie waren an Entscheidungen über Themen, Fragestellungen, Formate, Forschungsmethoden, Auswertungen und Publikationen beteiligt. Bei der Partizipativen Forschung geht es darum, Jugendliche als Expert*innen ihrer Lebenswelt und ihrer kulturellen Erinnerungen an Forschungsprozesse heranzuführen, die die Praktiken des Erinnerns sichtbar machten. Konkret bedeutete dies, dass leicht zugängliche Datenerhebungsmethoden eingesetzt wurden (Photovoice, Leitfadeninterviews der Jugendlichen untereinander), die durch klassische Methoden der qualitativen empirischen Sozialforschung ergänzt wurden (Gruppendiskussionen, leitfadengestützte Interviews).