Ultras, die zwischen den Stühlen tanzen
Das Wichtigste auf einen Blick
Kurztitel: Ultras, die zwischen den Stühlen tanzen
Förderung:DVJJ-Landesgruppe Rheinland-Pfalz (budgetierte Teilförderung)
Ultras, die zwischen den Stühlen tanzen. Die Suche nach verhaltenssteuernden Strukturen einer heterogenen Szene im Zeitalter neoliberaler Invasion im Männerfußball
Hintergrund des Projekts:
Zwischen den Stühlen ist zunächst ein leerer Raum, der eingenommen oder zugewiesen werden kann; er kann ungemütlich sein, er kann aber auch ein Bereich sein, der gefüllt werden will. Dieser Raum im Dazwischen scheint gleichzeitig als ein Raum für Identitäten, Beziehungen und letztlich für Habitusformationen (Norbert Elias / Pierre Bourdieu / Ulrich Oevermann) geeignet zu sein. Die Metapher steht als freier Raum für eine Szene im Männerfußball, der anscheinend unterschiedlich gefüllt wird. Betrachtet man jedoch die sichtbare Szene in „der Kurve“, erscheint es so, als sei diese choreographiert.
Wer eine Fußballbegegnung zweier Mannschaften (1.-3. Liga) im Stadion verfolgt, dem fallen neben den Aktionen auf dem Spielfeld sicherlich auch Fans auf, die lautstark auf sich aufmerksam machen, nämlich durch unermüdliches Trommeln begleitete Fangesänge, Fahnenschwenken und auch durch Transparente mit wechselnden Botschaften. Die Rede ist wahrscheinlich von den sogenannten ULTRAS, eine einerseits bewunderte und auch tolerierte, nach außen erscheinende Einheit mit eigenen, den Vereinsfahnen und –symbolen abweichende Insignien, andererseits angefeindet, kritisiert und auch sanktioniert. Sie werden nicht selten mit Hooligans und auch mit Rechten in „einen Topf geworfen“ und mit Gewalthandlungen gleichgesetzt. In der Öffentlichkeit (z.B. TV-Sender Sport1) kann auch nachgehört werden, dass Ultras eine Gruppierung von vereinsamten jungen Menschen sein sollen, die ein Gemeinschaftsgefühl suchen.
In dieser Arbeit müssen die unterschiedlichen „Szenen“ aus der Sicht der Akteure definiert und auch idealtypisch (M. Weber) aufgearbeitet werden, um Abgrenzungen und auch Aktivitätenpotenzial und -themen vornehmen zu können. Wo aber die Grenzlinien verlaufen werden, ist eine mitentscheidende Frage zur Orientierung, von welcher Szene / Gruppierung die Rede ist.
Die (sportpolitischen) Themen im Fußball sind vielfältig und werden national zwischen den Verbänden von Deutschem Fußballbund (DFB), Deutscher Fußball Liga (DFL), „Vereinen“ und Fangruppierungen kontrovers ausgetragen; nicht erst im Rahmen von Fußballbegegnungen ohne Zuschauer in leeren Stadien, also im Modus von Geisterspielen. Die Rede ist beispielsweise von strukturellen Rahmenbedingungen des Fußballsports: Anstoßzeiten, 50+1-Regel im Zusammenhang mit den Mehrheitsverhältnissen im „Vereins-System“, Verteilung von TV-Geldern, Sportgerichtsbarkeit im DFB, Kollektivstrafen und besonders der neoliberale Weg im Fußballgeschäft ohne Rücksicht auf die „Seele der Fans“. In der Bundesliga bekannte Persönlichkeiten äußern sich bereits, dass der Fußball auch auf Fans – besonders auf Ultras – verzichten kann. Eine Aussage, welche auf sportpolitische Gegenpositionen der auf Kapitalakkumulation ausgerichteten „Vereine“ als nicht wünschenswert gedeutet werden kann.
Fragestellungen:
Die bunte Landschaft des Fußballs mit einer äußerst heterogenen Fanszene soll mit Blick auf die sogenannten Ultras (Selbst- und/oder Fremdlabel?) in den Blick genommen werden mit dem Fokus auf strukturbildende Prozesse innerhalb einer spezifischen Fanszene. Dabei wird auf eine dezidierte forschungsleitende Fragestellung zunächst verzichtet. Vielmehr stehen vielfältige Fragen im Raum: Sind die „Ultras“ sportpolitisch interessiert, welche verhaltenssteuernden Strukturen sind erkennbar, was hält diese Szene wie zusammen; kurzum: Was ist der Klebstoff einer vermeintlich heterogenen Szene im Männerfußball? Im methodologischen Sinn geht es um das Verstehen einer im Stadion auffälligen Szene.
Methodisches Vorgehen:
Die Frage nach dem methodischen Vorgehen ergibt sich aus dem Thema und dem Forschungsfeld. Aus der Sicht des Verfassers bedarf es qualitativer Erhebungs- und Auswertungsverfahren zur Rekonstruktion der Binnenperspektiven von Akteuren im Feld der Fans. Um zu erfahren, wie die Akteure – neutral ausgedrückt – in der „Kurve“ agieren, wie Kommunikation vor, während und nach der Fußballbegegnung auf dem Platz stattfindet, wie Themen diskutiert und im Stadion nach außen getragen werden, wie interne Disziplinierung entstehen sind nur wenige Fragen zum Thema nach strukturbildenden Momenten. Theoretisch lässt sich als erster Aufschlag vermuten, dass Lebensgeschichten, Expertentum und Leadership im Kontext von Fußball eine Inputressource ist, welches das sichtbare Geschehen in der Kurve erklärt. In der Untersuchung kann es nicht darum gehen, quantitative Fallzahlen in den Mittelpunkt zu stellen, wobei auch diese – soweit kontextuell von Bedeutung – aufgenommen werden. Hier geht es um Tiefe und nicht um Breite.
Für dieses Unterfangen bietet sich die Methode der Grounded Theory (GT) (z.B. Glaser/Strauß 1967 – Strauss/Corbin 1996) an. Besondere Punkte dieser Methode sind, kurz benannt: a) die Möglichkeit der Theoriebildung (steht nicht im Fokus der Arbeit); b) die qualitative Ausrichtung stellt das Subjekt in den Mittelpunkt; c) aufgrund des entdeckenden Prozesses bietet sich die benannte Methode besonders an mit den Schritten von Datenerhebung, Datenauswertung und weiterführenden Fragen und Feldzugängen. Kurzum: Die GT beleuchtet im Prozesscharakter die Schritte von Datenerhebung, Datenauswertung / Kodierung und weiterführenden Fragestellungen mit erneuter Datenerhebung. Im Auswertungsprozess werden die ersten theoretischen Grundlagen festgehalten und durch die weiteren Datenerhebungs-, Auswertungsvorgänge fundiert bzw. revidiert. Es sind stete vergleichende Forschungsakte, bis zur „Sättigung“. D.h. die aufgestellten Thesen und auch die Fragestellungen sind hinreichend beantwortet und verifiziert.
Es werden geeignete Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes ergriffen. Grundvoraussetzung zur Datenerhebung ist die Freiwilligkeit der Teilnahme sowie die garantierte Anonymisierung der im Rahmen der Forschung erhobenen Daten. Dazu werden u.a. Aussagen von möglichen personenbezogenen von inhaltlich-thematischen Angaben getrennt, Synonyme verwendet und niemals mit Klarnamen und sonstigen personenbezogenen Angaben gearbeitet.