Behzad Karami nimmt Stellung zu wichtigen rechtlichen Bewertungsfragen

02.03.2021

Wirtschaftswissenschaften |

  • Prof. Dr. Behzad Karami

Bewertungsfragen – sei es der Unternehmenswert oder der Wert eines einzelnen materiellen oder immateriellen Vermögensgutes – rücken zunehmend ins Zentrum gesellschafts- und steuerrechtlicher Auseinandersetzungen vor Zivil- und Finanzgerichten.

Dabei ist grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, weil den Richtern gewöhnlich die eigene Sachkunde in dieser komplexen Materie, die gemeinhin als die Königsdisziplin der Betriebswirtschaftslehre gilt, fehlt.

Jüngst hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15.09.2020 – II ZB 6/20) – in Übereinstimmung mit den wirtschaftswissenschaftlichen Darlegungen von Herrn Prof. Karami in seiner Dissertation – bestätigt, dass die angemessene Barabfindung im Falle eine Squeeze-out nach §§ 327a, 327b AktG nach der Barwertsumme der aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen bestimmt werden kann, wenn dieser höher ist als der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Unternehmenswert, sofern der Unternehmensvertrag zum nach § 327b Abs. 1 AktG maßgeblichen Stichtag besteht und von seinem Fortbestand auszugehen ist.

In dem laufenden Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Deutschen Postbank AG hat das Landgericht Köln jüngst angekündigt, die Tragfähigkeit des vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) veröffentlichten Standard zur Unternehmensbewertung IDW S 1 von einem Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensbewertungslehre überprüfen zu lassen. In dem einzuholenden Gutachten soll geprüft werden, ob der objektivierte Unternehmenswert gemäß IDW S 1 das (höchstrichterlich geforderte) Bewertungsziel, einen theoretischen Marktpreis zu schätzen, der bei einer Veräußerung des Unternehmens im Ganzen zu erzielen wäre, erreicht. Das Landgericht äußert Zweifel, ob der objektivierte Unternehmenswert tatsächlich in der Betriebswirtschaftslehre anerkannt wird. Eine viel beachtete Stellungnahme von Prof. Karami zu dieser Thematik ist hier abrufbar.

Schließlich wird gegenwärtig kontrovers diskutiert, inwieweit die Vorgehensweise in der Bewertungspraxis – basierend auf den Empfehlungen des FAUB des IDW – die Grenzen zulässiger Typisierungen im Tax-CAPM überschreitet. Zwar handelt es sich bei der Ermittlung des Unternehmenswertes im Nachsteuer-Kalkül um eine Schätzung, jedoch ist diese mit verfahrensökonomisch vertretbarem Aufwand methodensauber (!) vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 29.09.2015 – II ZB 23/14). Es geht hier um die Kernfrage, ob Typisierungen im Tax-CAPM im Einklang mit dieser höchstrichterlichen Vorgabe des Bundesgerichtshofs stehen. Schließlich zeichnen sich Typisierungen dadurch aus, dass sie die Besonderheiten des Einzelfalls vernachlässigen. Mit Typisierungen können Härten verbunden sein. Denn sie können für einzelne (am Gerichtsverfahren) Beteiligte vorteilhafte und für andere nachteilige Folgen haben. Dass Typisierungen, die auf konkreten, im Zeitablauf reversiblen Annahmen beruhen, nicht unreflektiert für den konkreten Bewertungsfall übernommen werden sollten, hat Prof. Karami jüngst ausführlich, analytisch und mit der geforderten wissenschaftlich-kritischen Grundhaltung in seinem Beitrag zum systematischen Bewertungsfehler beleuchtet.