Die Integrierte Versorgung (IV) im Gesundheitswesen geht alle an

Theorie und Praxis wurden in gut besuchten Vorträgen am RheinAhrCampus erörtert

Das Szenario im Gesundheitswesen ist bekannt: hohe Arbeitslosigkeit der Versicherten, hohe Lohnnebenkosten, die demografische Entwicklung und der notwendige medizinisch-technische Fortschritt. Es folgt der Aufruf, vorhandene Mittel effizienter einzusetzen und die Qualität der medizinischen Versorgung zu steigern. Ziel ist es, ein hohes Versorgungsniveau bei angemessenen Beitragssätzen auch in Zukunft zu gewährleisten.

Bisher gründete sich das Gesundheitswesen auf eine sektorale Trennung von stationärer Versorgung, ambulanter Versorgung, Arzneimitteln oder Rehabilitation. Krankenhäuser, die Pharmaindustrie, Kliniken und die Ärzteschaft arbeiteten so separat. Hier setzt seit 2000 das Konzept der Integrierten Versorgung an, welches mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz in 2003 entscheidend in die richtige Richtung gelenkt wurde. Dieser Begriff bedeutet nichts anderes, als dass die Versicherten eine übergreifende Versorgung über die verschiedenen Leistungssektoren hinweg erhalten. Es soll somit eine patienten-, qualitäts- und effizienzorientierte Gesundheitsversorgung ermöglicht werden. Die Vorgehensweise ist das Überwinden der vorhandenen Schnittstellen, die Bildung von Versorgungsketten, die Prozessoptimierung und das Aufbrechen von Budgets. Prof. Dr. Gunther Lauven, Inhaber einer Professur am RheinAhrCampus Remagen zum Lehrgebiet Integrierte Versorgung und geschäftsführender Verbunddirektor im Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler, teilte bei seinem Vortrag kritisch die unterschiedlichen Maßnahmen, die zur Versicherungs-Integration beitragen könnten, in verschiedene Kategorien ein. So sieht er die Bildung von so genannten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) als wichtigen Bestandteil des Integrierten Versorgungs-Konzepts an. Fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtungen können gegründet werden, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Zur Gründung ermächtigt sind alle Leistungserbringer, die an der Versorgung von Versicherten teilnehmen, also Krankenhäuser, Apotheken, Vertragsärzte, Heilmittelerbringer wie Physiotherapeuten oder Pflegedienste. Auch die Bildung von Klinikketten mit eigener Marke, eigenen Managern, erweitertem Know-how aus den unterschiedlichen Geschäftsfeldern und ggf. Kooperationen mit Ärztehäusern, Ärztenetzen und Praxiskliniken sieht Lauven als sehr sinnvoll an. (Bestes Beispiel ist die Marienhaus GmbH mit insgesamt 23 Krankenhäusern, 17 Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und 8 Hospizen. Durch Zusammenschlüsse ist die Marienhaus GmbH zu einem der größten christlichen Träger von sozialen Einrichtungen in Deutschland geworden, deren Häuser in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Hessen und Nordrhein-Westfalen liegen.) Ebenfalls für ergiebig hält Lauven die elektronische Gesundheitskarte. Die bisherige Krankenkassenkarte wird zu einer individuellen elektronischen Gesundheitskarte mit der Speicherung aller persönlichen Daten inkl. Krankengeschichte und Auslandsschutz auf der Rückseite. Die Datenpräsenz in der Behandlungssituation betrifft Fachärzte, Hausärzte, Apotheker, Zahnärzte und Heilberufler gleichermaßen. 2006 soll mit einer stufenweisen Einführung der Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte begonnen werden. Weniger effektvoll, aber im Ansatz nicht minder richtig für die Integrierte Versorgung sind nach Ansicht Lauvens die Hausarztzentrierte Versorgung, Ambulantes Operieren nach § 115b SGB V, hochspezialisierte Leistungen nach § 116 SGB V, das Belegarztwesen oder die Ermächtigung für Krankenhausärzte.

Christa Dolfen, Referatsleiterin Ärzte/Apotheken/Zahnärzte/Zahntechniker/Integrierte Versorgung der AOK Rheinland-Pfalz, stellte in ihrem Vortrag die „Hausarztorientierte integrierte Versorgung chronisch kranker Menschen“ vor, bei der sich ein so genannter Case-Manager um das Wohlergehen des Patienten in häuslicher Umgebung kümmert. Case-Manager sind examinierte Gesundheits-Pflegekräfte des Krankenhauses mit Berufserfahrung im Umgang und in der Pflege chronisch Kranker. Case-Manager kann aber auch eine Fachkraft des niedergelassenen Arztes sein, oder ein Hausarzt führt selbst vermehrt Hausbesuche durch, insbesondere während der Intensivbetreuungsphase. Dolfen stellte heraus, dass es sich eher um eine koordinierende, sozialmedizinische Betreuung handelt und nicht um eine medizinisch-pflegerische Betreuung. Nach jedem Hausbesuch wird dem niedergelassenen Arzt und ggf. dem Krankenhausarzt Feedback in schriftlicher Form gegeben. In der ersten Woche nach einem Krankenhausaufenthalt erfolgt eine Intensivbetreuungsphase, in der 7 Tage lang ein Patient zu Hause aufgesucht wird. Ab der zweiten Woche bis zum Ende des 3. Monats wird der Patient einmal pro Woche besucht und ab Beginn des 4. Monats bis zum Ende des 24. Monats noch einmal im Quartal. Zwischen den Zuhörern konnte Christa Dolfen zwei IV-Kräfte persönlich begrüßen, die im Kreis Ahrweiler das Projekt der Umsetzung dieses Integrierten Versorgungsvertrages begleiten und als betreuende Krankenschwestern erste Erfahrungen bei den Hausbesuchen sammeln konnten. Die IV-Kraft stellt somit einen neuen Baustein im Gesundheitswesen dar, keinesfalls solle aber die Hausarzt-Rolle dadurch herabgesetzt werden.