Laufen ist gesund - und ein therapeutischer Ansatz in der Sozialen Arbeit

Prof. Dr. Rainer Ningel vom Fachbereich Sozialwissenschaften hat mit dem Buch „Lust am Laufen – startklar in 42 Schritten“ ein Buch geschrieben, das Theorie, Praxis und sportliche Unterhaltung miteinander verbindet. Genau die richtige Vorbereitung unter anderem für den Halloweenlauf am 31. Oktober, bei dem Professor Ningel seine Laufbegeisterung auch einmal in gespenstischer Atmosphäre ausleben wird. Damit im Alltag der Einstieg ins Laufen kein Horrortrip wird, gibt Ningel in seinem Buch zahlreiche Tipps, wie sich der Sport so in das eigene Leben einbinden lässt, dass er dauerhaft Spaß macht.

Herr Professor Ningel, zu Ihren Schwerpunkten innerhalb der Sozialen Arbeit gehören die Suchttherapie und die Bedeutung von Sport und Bewegung. Ist Ihr Buch „Lust am Laufen: Startklar in 42 Schritten“ eine wissenschaftliche Abhandlung zu dem Thema?

Nein! Jedenfalls nicht im engeren Sinne. Das Genre des Buches hat sich während des Schreibens dynamisch verändert. Wichtig war mir aber durchgehend, dass es sich von der bereits zahlreich vorhandenen Laufliteratur unterscheidet. Ich wollte nicht einfach ein weiteres Buch übers Laufen schreiben nach dem Motto: „Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von mir!“ Letztlich ist es ein Sachbuch und Nachschlagewerk geworden, das auf einem anspruchsvollen Niveau gut lesbar ist, Hintergründe vermittelt, Zusammenhänge verstehbar macht und dennoch auch dem Läufer selbst praktische Hilfestellungen im sportlichen Alltag gibt. Fachleuten der Sozialen Arbeit, Sportlehrern und Trainern bietet es Anregungen und Argumentationshilfen. Für die Klienten der Sozialen Arbeit, also zum Beispiel für Menschen mit Suchterkrankungen, bietet es eine Fülle von Anregungen und Unterstützungen, wie sie die notwendigen Fähigkeiten erwerben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Laufen fördert viele Fähigkeiten, die zur Bewältigung von Suchterkrankungen benötigt werden und trägt in besonderer Weise dazu bei, dauerhaft und zufrieden abstinent zu leben. Durch die Rahmenhandlung, der Begleitung dreier Marathonläufer über die gesamte Laufdistanz hinweg, gibt es auch belletristische Akzente, die das Buch spannend machen und den Leser – zumindest höre ich das als häufige Rückmeldung – auch fesseln.

Warum empfehlen Sie das Buch auch Menschen außerhalb Ihres Fachbereichs?

Das Buch ist ein Beitrag zur Veränderung des Gesundheitsverhaltens in unserer Gesellschaft. Gesundheit verstehe ich dabei nicht als das Beseitigen von Symptomen sondern als einen achtsamen Umgang mit Körper, Geist und Umwelt. Wer so auf sich achtet, wird in Kontakt mit sich bleiben, leistungsfähiger werden, zufriedener leben und die Umwelt bewusster wahrnehmen. Das alles ist übers Laufen ganz hervorragend erreichbar. Man wird kreativer, arbeitet effizienter und wächst als Persönlichkeit. Von daher empfehle ich das Laufen allen Menschen.

Die Kunst ist es, so zu laufen, dass es zunehmend an Reiz gewinnt und zum Genuss wird. Dann hat man eine unschätzbare Quelle körperlicher, psychischer und sozialer Ressourcen und wird sich vielleicht irgendwann fragen, wie man jemals ohne Ausdauersport leben konnte. Die Zeit, die fürs Laufen verwendet wird, spart man im beruflichen Alltag mehrfach wieder ein. Man sollte sich also nicht trotz beruflicher Belastung Zeit zum Laufen nehmen, sondern kann durch das Laufen Stress und Überbelastung reduzieren. Und diese Effekte kann wohl jeder im Studium und Beruf sehr gut brauchen. In „Lust am Laufen“ betonen Sie, dass die richtige Zielsetzung für den Lauferfolg entscheidend sei.

Welches Ziel hatten Sie beim Schreiben des Buches?

In erster Linie wollte ich Spaß haben. Ich wollte einmal schreiben, ohne mich an streng wissenschaftliche Kriterien halten zu müssen. Es hat mich einfach gereizt, auf anspruchsvolle Weise meine eigenen Erfahrungen einzubringen und diese mit Theoriewissen zu kombinieren, um sie so nicht nur für mich einmal zu ordnen, sondern sie auch für die Soziale Arbeit, die sich ja mit dem Lebensalltag der Menschen beschäftigt, nutzbar zu machen. Es ging mir aber auch darum, den Studierenden und Praktikern ein Werkszeug an die Hand geben und das Methodenrepertoire der Sozialen Arbeit um einen fantastischen Zugang zu den Klienten zu erweitern.

Ich habe es auch genossen, einen Beitrag zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens in unserer Gesellschaft zu leisten, ohne dabei ständig auf alle möglichen Gefahren und Risiken hinzuweisen und darauf, was alles passieren wird, wenn man nicht auf seine Gesundheit achtet. Mir geht es darum, aufzuzeigen, wie viele Möglichkeiten und Ressourcen in jedem Menschen stecken und welche Potentiale abrufbar und nutzbar sind. Ich wollte potentiellen Läufern und solchen, die immer wieder aufgegeben haben, Hilfestellung geben und vielleicht sogar für das Laufen, dem ich so viel zu verdanken habe, etwas missionieren.

Mit welcher Zielsetzung sind Sie selbst läuferisch aktiv?

Auch das verändert sich. Begonnen hat es mit der Überlegung, es sei doch an der Zeit, etwas für die Gesundheit zu tun. Laufen war für mich dabei der Mittel zum Zweck, um etwas für mein Herz zu tun, Gewicht zu regulieren, die Bemühungen ums Nichtrauchen zu unterstützen usw. Dann gab es eine Phase, in der ich, nun etwas ambitionierter, wissen wollte, was ich meinem Körper denn zumuten kann. Seit ein paar Jahren wiederum genieße ich das Laufen, habe das gute Gefühl, gesund zu leben und nutze das Laufen, um Spaß zu haben, Gedanken zu ordnen, Dinge zu durchdenken, Natur zu erleben, mit anderen gemeinsam ein attraktives Hobby auszuüben.

Was mir besonders gut gefällt, ist, dass es mir seit vielen Jahren gelingt, jährlich einen Marathon zu laufen und diesen immer mit attraktiven Städtereisen zu verbinden. Für diese Erfahrungen bin ich dankbar, und ich hoffe, das noch lange weiterführen zu können. Ich bin jetzt 60 Jahre alt und merke, wie ich den Ehrgeiz und die Hoffnung entwickle, noch sehr lange, also bis ins hohe Alter laufen zu können. In einer alternden Gesellschaft werden sportliche und kulturelle Betätigungen immer unverzichtbarer; sie sind als Hilfe zur Selbsthilfe schnell verfügbar.

Es geht dabei nicht um Leistung, sondern nur darum, das Mögliche noch zu tun. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. In jedem Kranken steckt auch viel Gesundes. Bis zum letzten Atemzug sollte man sich um so viel Selbstbestimmung wie möglich bemühen. Bei einem großen Stadtmarathon in der Gruppe M 80 starten zu können, das hätte doch was! Vielleicht könnte das anderen Menschen auch Mut machen und insbesondere Älteren zeigen, dass noch vieles machbar ist, wenn man sich auf seine Stärken besinnt und Dinge im Einklang mit sich und seiner Umwelt tut.

Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute für eine lange sportliche Zukunft!

Das Interview führte Nicole Luzar.

„Lust am Laufen – startklar in 42 Schritten“, 210 Seiten, 12,95 EUR (Print), ISBN 978-3-941297-25-8, 9,99 EUR (E-book) www.sportweltverlag.de