Remagener Studierende unterstützen irakisches Friedensprojekt

Studierende gründeten eine „virtuelle Firma“ am RheinAhrCampus – Die Ergebnisse des Projektes wurden vergangenen Donnerstag vorgestellt

REMAGEN. Wie lernt man am besten die interkulturelle Kommunikation im aktuellen Geschäftsleben mit arabischen Partnern? Durch praktisches Ausprobieren! Genau das praktiziert Dr. Laurent Borgmann, Leiter des Bereichs Sprachen/Internationales am RheinAhrCampus der FH Koblenz mit seinen Studierenden des Seminars „International Business Simulations“. Dabei geht es darum, virtuelle Unternehmen zu gründen und internationale Geschäftsrealität zu proben. In diesem Sommersemester unterstützten die Studierenden ein irakisches Jugend-Sinfonieorchester, das im September in die Region kommen und am 1. Oktober seinen Auftritt beim Beethovenfest in Bonn haben wird, bei seinen Marketingaktivitäten.

Donnerstag, Pressekonferenz am RheinAhrCampus in Remagen. Bei der abschließenden Präsentation der Geschäftsergebnisse erscheinen die Studierenden im Business-Look. An den Wänden hängen Fahnen aus Europa, Australien und dem Irak. Die studentische Vorstandsvorsitzende der Firma, Nadezda Kokareva, ist Russin, seit einem knappen Jahr im Rheinland, begrüßt aber souverän auf Englisch.  Im Hintergrund wirft ein Projektor beeindruckende Erfolgszahlen  der studentischen Firma auf die Leinwand und man spürt förmlich, wie stolz die im Raum verteilten Abteilungsleiter auf ihre Teams und deren Leistungen sind. Christopher Jungen zum Beispiel sagt später: „Ich habe manchmal schon sehr den Erfolgsdruck gespürt und kennengelernt, wie das meine Arbeitsweise beeinflussen und wie ich mit Stress umgehen kann.“ Ähnlich sieht das Marc Gottschalk, wenn er berichtet, wie wichtig es ihm war, die Ergebnisse zum rechten Zeitpunkt abzugeben. So wichtig, dass er doch tatsächlich eine Kollegin mitten in der Nacht aus dem Bett klingelte, damit sie die englischen Texte noch mal korrekturliest. Er fügt aber auch gleich hinzu: „Am nächsten Tag war aber auch das Ergebnis so gut, dass ich gern auf meinen  Schlaf verzichtet und mich auch bei der Kollegin für die nächtliche Störung entschuldigt habe.“ Sein Kollege Jens Reinert findet, „dass solche Aktionen zu einem spannenden und verantwortungsvollen Projekt einfach dazugehören.“ Im Raum B014 des RheinAhrCampus geht es zu wie auf einer Pressekonferenz einer multinationalen Firma. Die Abteilungsleiter stellen die bewältigten Aufgaben und die Ergebnisse vor und geben den Kunden ganz gezielt Einblicke in den Arbeitsalltag. Die Studierenden stellen sehr eindrücklich ihre Firma „oRACle“ vor. Ganz wie im wirklichen Leben.

Angekündigt war das Ganze allerdings eher als Planspiel. Die simulierte Unternehmensgründung ist ein Projekt des Bereichs „Sprachen/Internationales“ am RheinAhrCampus. Aber die Internationalität war echt, die Studierenden aus Ungarn, Korea, Litauen, Australien und Russland auch. Ja selbst zwei externe Kunden, ein schottischer Musikdirektor und eine Netzwerkkoordinatorin aus Bonn waren dabei, um sich die Quartalsergebnisse präsentieren zu lassen, sich bei den Studierenden für deren Einsatz zu bedanken, und am Ende mit Sekt und Häppchen den grandiosen Erfolg zu feiern.

Wie ist also aus der Simulation eine so reale Aktion geworden? Der Dozent des Kurses war vom Dirigenten des Orchesters, Paul MacAlindin, angesprochen worden, ob die Studierenden nicht eine Marketing-Kampagne im Bereich der Sozialen Medien wie Twitter, Facebook und YouTube übernehmen könnten. Aufgabe war es, die neuen Medien zu nutzen um Aufmerksamkeit zu erzeugen für das Projekt, das kurdische und arabische Jugendliche zusammen bringt, um den Frieden und die Verständigung junger Menschen über ethnische und kulturelle Grenzen hinweg durch klassische Musik zu unterstützen. Der Kunde wurde kurzerhand zum ersten Seminartermin im April eingeladen und die Studenten ins kalte Wasser geworfen. Von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Präsentation der Ergebnisse wurde von den Studenten alles in Eigenregie organisiert. So lernten sie, wie es ist, Verantwortung zu übernehmen, in internationalen Teams zu arbeiten, sich über interkulturelle Unterschiede zwischen den beteiligten Ländern zu informieren und sich in die Kunden hineinzudenken. Es mussten Konzepte erstellt werden für deutsche und internationale Facebook-Auftritte. Zudem mussten Ideen entwickelt werden für  lokale Aktivitäten, wie ein Straßenmusikfest mit über hundert jugendlichen Musikern und eine Idee für einen medienwirksamen Flashmob in ein einem Kaufhaus in Bonn. Insgesamt musste die gesamte Werbung kundengerecht und passend zum Thema „klassische Musik“ konzipiert werden. Alle teilnehmenden Studierenden verfolgten unterschiedliche Aufgaben. Während einige versuchten, in verschiedenen Musikforen Aufmerksamkeit auf die neue deutsche Facebookseite des Fördervereins zu lenken, texteten andere griffige Beschreibungen für YouTube Videos, damit die Klickzahlen in die Höhe schnellten; wieder andere entwarfen Flyer für Musikveranstaltungen in Bonn. Alles real – alles auf Englisch. „So praxisorientiert geht das bei uns an der Uni in Budapest meist nicht zu, bei uns ist alles eher theoretisch,“ vergleicht Emese Bognar von der ungarischen Partnerhochschule die beiden Lehrmethoden.  Deshalb hat sie sich schnell entschieden, noch ein zweites Semester in Remagen dranzuhängen. „Ich hatte mich darauf eingestellt, dass wir wirklich nur simulieren und war ganz verdutzt, als dann völlig unerwartet in der ersten Veranstaltung gleich ein Schotte auftauchte, und uns einen konkreten Arbeitsauftrag erteilte“, ergänzt Christina Eich.

Die deutschen Studierenden waren begeistert, mal wirklich Schulter an Schulter mit Kollegen aus Ungarn, Russland, Korea oder Australien zu arbeiten. Durch diese internationale Beteiligung am Projekt sollen den Studierenden die praktischen Herausforderungen der Internationalisierung von Firmen näher gebracht werden. „Man lernt natürlich auch, wie unterschiedlich die Kulturen und Arbeitsvorstellungen sind und muss dann trotzdem unter Zeitdruck schnell damit umgehen können“, berichtet Eva Zwilling, die für die Werbemaßnahmen beim Straßenmusikfest verantwortlich war. Gab es Streit wegen einzelner Aufgaben, mussten die Studenten das selbst klären. „Ich habe mich da nicht eingemischt, denn später müssen sie ja in der Firma auch diesen Druck aushalten können und letztlich die Verantwortung selbst übernehmen“, erklärt anschließend der Dozent, Elmar-Laurent Borgmann, der während der gesamten Pressekonferenz kein einziges Wort gesagt hatte. Er ist der Meinung, dass so die Eigenverantwortung und das Erfolgsgefühl der Gruppe viel größer sind.
Die von den Studenten gewählte Präsidentin der Firma, Nadezda Kokareva, strahlte begeistert: „Dieses Projekt hat mir persönlich unheimlich viel gebracht, so viele praktische und lebensnahe Erfahrungen habe ich in keinem anderen Kurs bisher gesammelt – alles was ich in Vorlesungen gelernt habe, konnte ich hier gleich praktisch anwenden!“

Und wen wundert’s jetzt noch – beide Kunden waren auch höchstzufrieden mit der „strukturierten Arbeitsform“ des studentischen Teams und mit den überragenden Ergebnissen; aber auch ein wenig überrascht, dass nicht nur die Zahlen und Ergebnisse stimmten, sondern auch die Präsentation bei der Pressekonferenz überaus professionell durchgeführt wurde. Jan Schnurpheil fasste zusammen: „Je mehr ich mich mit dem „National Youth Orchestra of Iraq“ beschäftigt habe, desto mehr war ich wirklich von dem Projekt begeistert.“ Alle fiebern nun gemeinsam dem Kommen der Iraker im September entgegen und natürlich auch dem Konzert am 1. Oktober.