Sechs Monate arbeiten und leben in Indien

Unvergessliche Eindrücke für den Studierenden Thomas Gies vom RheinAhrCampus

Madurai liegt in Südindien, Tausende von Kilometern entfernt. Landschaft, Klima, Sprache, Musik, Straßenverkehr und Supermärkte - nichts davon ist so wie in unseren Breitengraden. Als Thomas Gies sich im Rahmen seines Studiums Gesundheits- und Sozialwirtschaft am RheinAhrCampus Remagen für ein Praktikum in Indien entschied, ahnte er, dass ein echtes Abenteuer vor ihm lag.
Angefangen hatte alles mit der Begegnung mit einer indischen Ärztin und dem Angebot, für ihr Institut, das so genannte MUHIL-Health Center (Movement for Universal Health Integration) in Indien zu arbeiten. Gies schlug sofort ein: „Ich wollte immer schon für längere Zeit nach Asien. Indien sprach mich mehr wegen der fremden Sitten und Kultur sehr an, weil es etwas völlig Neues für mich war“.
Bevor er aber in das ferne Land gehen konnte, waren Organisationstalent und Information gefragt. Die Vorbereitungen für einen Aufenthalt in Indien sind nicht vergleichbar mit Reisen in Europa, die USA oder Australien. Notwendige Impfungen gegen Hepatitis A und B, Malaria-Prophylaxe, Versicherungsfragen und Aufenthaltsrecht waren zu bedenken.
Mit Hilfe eines Reisekostenstipendiums von InWent (Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH) gelang es, die Kosten für den Aufenthalt teilweise abzudecken. Hierbei wurde Gies tatkräftig durch den betreuenden Professor Stefan Kammhuber und Dr. Laurent Borgmann, Leiter des Bereichs Sprachen/Internationales unterstützt. „Gerade für Studierende, die keine Praktikumsvergütung erhalten, kann ein Stipendium über Abreisen oder Hierbleiben entscheiden“, so Borgmann.
Gerne erinnert sich der junge Reisende an die Begrüßungszeremonie aller Mitarbeiter des Gesundheitszentrums bei seiner Ankunft in Madurai. „Sie haben mich sofort in ihrer Gemeinschaft aufgenommen. Zudem haben sie mir am Anfang sehr weiter geholfen, indem sie mir viel über ihre Kultur erzählt haben. Eine Einführung in den Alltag sowie eine Vorstellung meiner Person bei den Dorfbewohnern erleichterten den Beginn. Da war ich also schnell integriert, weil die Bewohner großes Interesse an einer Bekanntschaft mit mir als Europäer hatten.“
Trotzdem war für den Hochschüler die fremde Welt mit Umstellungen verbunden. Die hohen Temperaturen machten dem Deutschen anfangs große Probleme. „Im Dezember als Wintermonat lagen sie bei 30 Grad, vorher war es sogar noch wärmer. Schon morgens mit über 25 Grad aufzustehen ist bei uns in Deutschland völlig undenkbar“, meint Gies.
Gerade die Hitze sorgt dafür, dass die Südinder schon früh morgens zur Arbeit gehen. Die meisten Berufe finden sich in der Landwirtschaft wieder, aber auch andere manuelle Tätigkeiten wie Schmiede, Auto-Rikscha-Fahrer, Schuster und Messerschleifer sind präsent. „Da fühlt man sich schon so ein bisschen ins Mittelalter versetzt. Die Menschen müssen dort unvorstellbar viel arbeiten, um allen Familienangehörigen ein Überleben zu sichern. Durch das fehlende soziale System müssen auch Kranke und Alte mit anpacken“, konnte der Remagener beobachten. Überhaupt ist Armut in diesen Regionen ein großes Thema. Fließendes Wasser kennt man in den Dörfern nicht, in denen ein Großteil der Bevölkerung wohnt. Wasser gibt es nur im gemeinschaftlichen Dorfbrunnen.

Dass Wasser aber nicht nur Leben retten kann, sondern auch vernichtet, wurde der Welt spätestens am Zweiten Weihnachtstag des vergangenen Jahres wieder bewusst. Der Tsunami, eine Meereswoge, die überwiegend durch Erdbeben auf dem Meeresgrund ausgelöst wird, zerstörte große Landflächen, die Infrastruktur der Fischer und Landwirte, und über 200.000 Menschen fielen dieser Naturgewalt zum Opfer. Einen echten Schutzengel schien der Remagener Student gehabt zu haben, denn das MUHIL-Center war etwa 200 Kilometer von den reißenden Fluten entfernt. So hörte er zunächst nur aus den Nachrichten von der Katastrophe. Nach der Jahrhundertflut war er für ein Wochenende an den Ort des Geschehens gefahren und berichtet von den tragischen Bildern: „Dort standen nur noch Ruinen oder verstreute Steine von den Häusern. Straßen und Bahnstrecken waren unbrauchbar geworden. Die Regierung hat aber mit Flüchtlingslagern und Lebensmittellieferungen sofort reagiert, allerdings reichten die Maßnahmen bisweilen nicht aus.“ Trotz dieser Erfahrungen fällt sein Fazit recht positiv aus: „Betriebswirtschaftlich und interkulturell habe ich sehr viel Nutzen aus meinem Aufenthalt ziehen können. Zudem habe ich dort einen faszinierenden Einblick in eine andere Welt mit anderen Vorstellungen vom Leben, einer exotischen Natur und landestypischen Arbeitsweisen kennen gelernt.“ Gut habe ihm besonders die Atmosphäre in den Dörfern mit ihren Großfamilien gefallen, erschreckend waren dagegen die Auswirkungen des fehlenden sozialen Systems in den hektischen Städten. Zurück in Deutschland wird Thomas Gies seine Diplomarbeit zu Ende schreiben. Ein nochmaliger Besuch der Arbeitskollegen und Bekannten in Madurai steht für ihn fest.