Versorgung demenzkranker Menschen im Landkreis Ahrweiler

Erste Befragungsergebnisse liegen vor – Studie geht in die nächste Phase!

Zur besseren ambulanten Versorgung von zu Hause lebenden demenzkranken Pflegebedürftigen fördern die Pflegekassen, das Land und die Kommunen seit Ende 2005 in Rheinland-Pfalz verschiedene Modellvorhaben mit insgesamt 325.000 Euro jährlich. 162.500 Euro werden von den Pflegekassen beigesteuert, während Land und Kommunen jeweils 81.250 Euro übernehmen. Ziel ist es, neue Angebote für Demenzkranke zu entwickeln, ein funktionierendes Netzwerk aller an der Pflege Beteiligter aufzubauen und Ehrenamtliche besser in die Betreuung einzubeziehen.

Der Umgang mit demenzkranken Menschen sei eine neue Herausforderung für den Gesundheits- und Sozialsektor, sagte Landrat Dr. Jürgen Pföhler. Der Kreis Ahrweiler stelle sich dieser Herausforderung. So unterstütze der Kreis das Modellprojekt „Leitstelle Demenz“ des Caritasverbandes auch in diesem Jahr mit rund 12.000 Euro. Wichtig sei, dass die unterschiedlichen sozialen Dienste und Einrichtungen ein Netzwerk zur Beratung und Betreuung knüpften. Daher arbeite das Projekt eng mit der Kreispflegekonferenz unter Federführung des Kreis-Gesundheitsamtes zusammen und habe einen Arbeitskreis aufgebaut. Mit der Fachhochschule RheinAhrCampus stehe „unser wissenschaftliches Flaggschiff und damit ein hochkompetentes Team für die Bedarfserhebung bereit“, so der Landrat.

Auf der Grundlage einer vom Sozialministerium gemeinsam mit den rheinland-pfälzischen Pflegekassen, dem Landkreistag und Städtetag Rheinland-Pfalz erarbeiteten Kriterienliste waren die Projekte im Februar 2005 landesweit ausgeschrieben worden. Die Ausschreibung stieß auf große Resonanz, denn insgesamt gingen 22 Bewerbungen ein, aus denen die Jury acht Projektvorschläge auswählte. Die Leitstelle „Demenz“ im Landkreis Ahrweiler ist eines dieser Projekte und hat im Februar 2006 ihre Arbeit aufgenommen. Gemeinsam mit der studentischen Unternehmensberatung Primus e.V. unter der wissenschaftlichen Leitung der zuständigen Professorin, Prof. Dr. Gabriele Moos, wurde eine schriftliche Befragung mittels anonymer Fragebögen durchgeführt. Die erste Projektphase begann im April 2006 und endete mit der Vorstellung der Ergebnisse im Rahmen der Kreispflegekonferenz im September 2006. Es soll in den nächsten Phasen ein Kriterienkatalog für die geronto-psychiatrische Versorgung im Landkreis Ahrweiler erarbeitet werden.

Insgesamt wurden 850 Fragebögen sowohl an Personen, die beruflich im Kontakt mit demenzerkrankten Menschen stehen als auch an Angehörige von demenziell veränderten Menschen geschickt. Die hohe Rücklaufquote von jeweils 25% trug dazu bei, neue Erkenntnisse für die rechtzeitige Weichenstellung zu gewinnen. Eine Erkenntnis aus der Befragung von Angehörigen ist beispielsweise, dass 75% der Befragten zunächst auf Hilfen privater Art wie Familie und Freunde zurückgreifen, gefolgt von 60%, die ambulante Pflegedienste in Anspruch genommen haben. Nur 20% haben sich für eine Dauerpflege in einem Alten- und Pflegeheim entschieden. Ferner schätzen Angehörige den aktuellen Informationsstand in Bereichen wie Betreuungs- und Pflegeangeboten, Rechts- und Haftungsfragen, Finanzierungs- und Versicherungsfragen,  Krankheitsbild und –verlauf oder Diagnostik und Therapie derzeitig als eher mittelmäßig bis schlecht ein. Ähnlich argumentierten die befragten Personen, die im beruflichen Kontakt zu demenzerkrankten Menschen stehen. Sie sehen den Aufklärungsbedarf noch kritischer, vergeben also bei der Frage, ob Angehörige gut in den diversen Bereichen informiert sind, noch schlechtere Noten als die Angehörigen selbst. Auf die Frage, was am Dringendsten im Landkreis Ahrweiler für ihre demenzkranken Angehörigen benötigt wird, entschieden sich 45% für Schulungen und Kurse für Angehörige zum Umgang mit Demenzkranken, 35% wünschen organisierte Gesprächsrunden und Treffen mit anderen Angehörigen, 32% erwarten den Ausbau der fachärztlichen Versorgung und ebenfalls 32% bedarfsorientierte Beratung und Begleitung der Angehörigen. Auch die Form der Unterbringung dürfte für den Landkreis von Interesse sein: so würden über die Hälfte aller Befragten eine speziell gestaltete Wohngruppe in einem Alten- und Pflegeheim, die auf die Besonderheit Demenzkranker eingeht, z.B. einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in einem Privathaus vorziehen. Dass die Mehrheit der im beruflichen Kontakt stehenden Personen von der Idee überzeugt ist, während der gesamten Zeitdauer der Demenz einen festen, kompetenten Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen, verlangt nunmehr nach Überlegungen, wer dies innerhalb des Gesundheitssystems sein könnte und wie dies zu realisieren ist.

Aufgrund der Befragung herrscht nun höhere Klarheit über den Status Quo, sind Wünsche und Erwartungen Angehöriger und Fachkundiger offensichtlicher. Dies verlangt gleichzeitig nach Lösungen. Ausgehend von den Ergebnissen der ersten Phase sollen von Mai bis September 2007 so genannte Experteninterviews mit einer Auswahl von Personen geführt werden, die in engem Kontakt mit Demenzkranken stehen. Wegen der positiven Erfahrung der ersten Phase der Untersuchung, gehen die Projektverantwortlichen davon aus, dass das Thema auch im weiteren Untersuchungsablauf von großem Interesse für die Allgemeinheit sein wird.

Für kommenden September kündigte Landrat Pföhler während der Pressekonferenz bereits „Demenztage im Kreis Ahrweiler“ an. Bislang vorgesehen seien Fachvorträge für Angehörige und Pflegepersonal, eine Ausstellung und ein Theaterstück.

Ein weiterer wichtiger Baustein, den Pföhler in diesem Zusammenhang erwähnte, sei der Teilhabeplan für behinderte Menschen, den der Kreistag beschlossen habe. Der Teilhabeplan analysiere die zielgerichteten und bedarfsorientierten Hilfen für Menschen mit Behinderungen und psychischen Beeinträchtigungen. Im Zentrum stünden der Ausbau des Betreuten Wohnens und anderer geeigneter Wohnformen, die Schaffung von behindertengerechten Arbeitsplätzen, die Frühförderung und integrative Angebote in Schulen und Kindertagesstätten. Daraufhin wies Prof. Dr. Gabriele Moos auf die besondere Rolle der Kreisverwaltung hin. Sie machte deutlich, dass die Kommune im Rahmen ihrer Steuerungsfunktion bestimmte Standards für die Versorgung demenzkranker Menschen erarbeiten lassen sollte. Die Teilhabepläne für Menschen mit Behinderung können hier als Orientierung für die Erarbeitung eines geronto-psychiatrischen Versorgungskonzeptes dienen.